Moonlight Shadow

Die 1. Strophe eines Liedes

Moonlight Shadow

Moonlight Shadow
Rans P.O.V.

Es war schon lange Nacht, aber ich konnte nicht schlafen, wenn ich wusste, dass Shinichi wach war. Er saß unten ein Stockwerk tiefer in unserem Wohnzimmer und sah fern. Ich wusste, er wartete auf einen Bericht über den Serienmörder, der seit ein paar Tagen sein Unwesen trieb. Shinichi hatte sein Verhalten beobachtet und herausgefunden, dass er immer zu bestimmten Zeiten auftauchte um zu morden. Und heute war so ein Tag, das wusste er auch, obwohl er sich nicht hundertprozentig sicher war. Vielleicht würde der Serienmörder heute gar nicht kommen. Das hoffte ich. Und da Shinichi sowieso noch kein Muster in den Orten entdeckt hatte, blieb er lieber zuhause und wartete, bis in den Live-Nachrichten etwas berichtet wurde. Dann würde er bis dann seine Kräfte geschont haben und sofort aufbrechen können, um den Serienmörder zu stellen. Ich stieg unsere Treppe hinunter in das Wohnzimmer hinein. Der Fernseher war ausgeschaltet. Shinichi stand neben unserem Sofa. Ein Blick in sein Gesicht sagte alles. „Er ist gekommen“, flüsterte ich. „Ja“, antwortete Shinichi knapp. „Ich werde jetzt gehen.“ Der Serienmörder hatte bereits zwölf Polizisten auf der Flucht erschossen. Shinichi könnte dasselbe passieren, vor allem, wenn er nicht mit der Polizei versuchen würde, ihn aufzuhalten, sondern ihn abzufangen, wie er es vorhatte. „Nein…“, sagte ich. „Nein, Shinichi, bleib hier!“ Shinichi wandte sich zu mir um und sah mich liebevoll, aber traurig, an. „Es tut mir leid, Ran.“ Noch nie zuvor hatte jemand meinen Namen so zärtlich ausgesprochen, ich konnte jetzt einfach nicht mehr. Ich begann zu weinen. Shinichi schaute mich bestürzt an. Er kam auf mich zu, umarmte mich und streichelte meinen Kopf. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Jacke und schluchzte: „Er wird dich umbringen…!“ „Vielleicht wird er das“, sagte Shinichi. „Aber selbst wenn, dann hab ich ihn damit vielleicht aufgehalten.“ „Und du bist tot.“ „Besser nur ich, als viele andere Menschen“, erklärte Shinichi sanft. Ich sah es ja ein. Vielleicht war es richtig so. Aber ich kannte die anderen Menschen nicht, und ich wollte nicht, dass Shinichi stirbt. Ich weiß, das waren gemeine Gedanken, aber so würden bestimmt viele denken. Und ob ich gerecht dachte oder nicht, das war mir im Moment egal. Ich liebte Shinichi. „Es tut mir Leid, Ran“, sagte Shinichi leise. „Aber ich muss jetzt los.“ Er löste sich aus der Umarmung und verließ unser Haus. Er schloss unsere Haustür und ließ mich allein zurück. Ich zitterte, während mir Tränen über die Wangen liefen. Ich sah aus dem Fenster. Vor der großen silbern-weißen Vollmondscheibe sah ich Shinichi als schwarze Gestalt rennen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Es war so still in unserem Haus. Ich wusste, dass es oft so still war. Aber erst jetzt wurde mir die Stille bewusst. Sie bedeutete, dass Shinichi nicht da war. Und sie machte mir noch einmal klar, dass er vielleicht noch heute in dieser Stunde sterben würde. Ich hielt diese Stille nicht aus! Ich war vollkommen verzweifelt und ich begann zu singen. Ich wusste auch nicht warum, es kam einfach so aus mir heraus, ein tieftrauriges Lied, das ich selbst nicht einmal kannte, aber dessen Schönheit mich berührte. Und dieses Lied machte mich wieder klar im Kopf. Ich würde Shinichi nicht einfach diesem Mörder überlassen. Ich zog mir keine Mütze, keinen Schal, keine Handschuhe, nicht einmal eine Jacke an, obwohl draußen Minustemperatuten herrschten. Ich schloss die Haustür nicht hinter mir. Ich rannte einfach los. Ich wusste gar nicht, wohin, ich ließ mich ganz einfach von meinem Instinkt tragen. Die Nacht war dunkel, schwärzer denn je und ich war so gut wie blind. Außerdem fror ich und wunderte mich, dass ich vor Kälte nicht erstarrte. Aber ich rannte und rannte. Und plötzlich hörte ich einen Schuss. Und gleich darauf einen Aufschrei. Von Shinichis Stimme. Entsetzt blieb ich stehen und versuchte, irgendwas zu erkennen. Ich blickte geradeaus, geradewegs in den riesigen Vollmond hinein. Vor dem Vollmond sah ich die Silhouette von Shinichi, der zwar noch aufrecht stand, aber dem das Stehen sichtlich schwer fiel. Er drückte die rechte Hand auf die Brust und auch ohne gerade dabei gewesen sein zu müssen, wusste ich, dass er Shinichi getroffen hatte. Er- eine weitere Silhouette. Ich sah, dass der Mann ungefähr drei Meter von Shinichi entfernt stand. Und ich sah die Silhouette eines Gewehrs. Ich wollte weiterlaufen. Wenn ich jetzt neben Shinichi gestanden wäre, dann würde ich mich vor ihn werfen. Ich würde mein Leben geben, wenn ich ihn damit retten konnte. Aber ich konnte nicht. Ich war wie gelähmt. „Tut mir leid, Schnüffler!“, sagte der Serienmörder. Dann schoss er weitere vier male auf Shinichi. Und Shinichi schrie nicht. Er ging vollkommen still zu Boden und blieb dort regungslos liegen. Dafür schrie ich. Ich konnte nicht anders. Ich schrie laut und gellend. Nein! Das konnte nicht wahr sein. Ich hatte es ihm doch gesagt, aber er war trotzdem gekommen. Aber er durfte nicht sterben! Nicht Shinichi! Shinichi! Er wandte sein Gesicht in meine Richtung. „Ran…“, flüsterte er schwach. Der Serienmörder, der mich zwar gehört, aber nicht als Bedrohung eingestuft hatte, da ich keine Anstalten machte, ihn aufzuhalten und in der Finsternis auch unmöglich sein Gesicht gesehen haben konnte und nun schon am Weiterflüchten war, blieb stehen und wandte sich zu Shinichi um. „Bist du immer noch nicht tot, du Schnüffler?!“, schimpfte er. Dann schoss er ein sechstes mal. Wie in Zeitlupe drang die Kugel in Shinichis Körper ein. Es ertönte keine dramatische Musik wie in Filmen. Nicht mal der Wind raschelte. Shinichi starb leise und ungesehen von allen Menschen außer mir. Und ich rannte endlich los. Ich sah Shinichis toten, blutenden Körper vor mir liegen. Das war das Schlimmste, was ich je in meinem Leben gesehen hatte. Ich wusste, wenn die Polizei da wäre, würde sie mich aufhalten, aber sie war nicht da. Und so rannte ich auf Shinichi zu, vergrub erneut mein Gesicht in seiner Jacke und schluchzte lautlos. Stumme Tränen liefen mir die Wangen herunter und ich weinte und weinte und konnte nicht aufhören. Es war kein spektakulärer und dramatischer Tod, es war ein unscheinbarer Tod. Shinichi starb leise und ungesehen von allen Menschen außer mir.
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