Sonanshoni

Misfortune Child

Unglückskind

Sonanshoni - Misfortune child (Unglückskind)

Egal wo ich gehe oder stehe, egal ob ich wache oder schlafe, das Pech folgt mir auf Schritt und Tritt. Dabei trifft es nicht mal mich selbst, sondern die Menschen in meiner Umgebung. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, wie eine gerissene Einkaufstasche oder ein kaputter Teller. Doch es gibt auch Lebensgefährliche Situationen, bei denen die Betroffenen nur knapp dem Tod entrinnen. Und einige… ja, einige sind auch gestorben, weil sie in meiner Nähe waren.
Heute war es wieder besonders schlimm gewesen. Ich bin nichts ahnend über eine Landstraße gegangen, als ein schwarzer Mercedes mit voller Fahrt auf mich zuhielt. Doch dank meiner schnellen Reflexe ich konnte noch früh genug ausweichen. Das Auto jedoch raste an mir vorbei, ein lauter Knall ertönte, gefolgt von einem Aufschrei.
Erschrocken fuhr ich herum. Mir bot sich ein schrecklicher Anblick. Der schwarze Mercedes war mit einem Familienauto zusammengekracht und hatte es in den Graben am Straßenrand gestoßen. Der Mercedes selbst lag falschherum auf der Straße und überall war Blut. Blut, das sich mit dem auslaufenden Benzin mischte. Aus dem Auto im Graben drangen die Schreie kleiner Kinder an meine Ohren, die verzweifelt nach ihren Eltern riefen. Doch sie bekamen keine Antwort.
Ich stand nur teilnahmslos in der Gegend herum und rührte mich nicht. Auch das restliche Wasser in dem Graben färbte sich nun allmählich rot. Blutrot.
Ich wusste, dass für die Eltern der Kinder und den Mercedesfahrer jede Hilfe zu spät kam, ich weiß nicht warum, ich wusste es einfach. Etwas in meinem Innern es mir gesagt. So war es jedes Mal. Ich wusste immer, wer noch eine Chance hatte zu leben und wer nicht. Und die Kinder hatten diese Chance. Doch anstatt ihnen zu helfen lief ich einfach davon.
Ich lief einfach davon, ohne nachzudenken, ließ mich von meinen Füßen leiten und achtete nicht auf meine Umgebung. Ich lief immer weiter und weiter und blieb erst stehen, als meine Beine unter mir nachgaben und ich der Länge nach in den Dreck fiel. Den pochenden Schmerz in meinen Knien beachtete ich gar nicht, ich spürte nur die Träne, die mein Gesicht hinunterlief.
Wieder war es passiert.
Wieder waren unschuldige Menschen gestorben.
Wieder waren sie gestorben, weil ich zufällig in ihrer Nähe war.
Wieder war es meine Schuld, dass sie nicht mehr lebten.
Sie waren tot, genauso wie die einzigen Menschen in meinem Leben, die ich liebte. Alle waren sie gestorben- und es war allein meine Schuld!
Oft frage ich mich, was sie wohl für ein Leben gehabt hätten, wenn ich nicht da gewesen wäre. Wahrscheinlich wären sie alle glücklich gewesen, meine Eltern hätten ein anderes Kind gehabt, eines, dass nicht Unglück über alle in seiner Nähe brachte.
Sie alle hätten ein glückliches und friedvolles Leben gehabt.
Sie hätten es gehabt, wenn ich nicht gewesen wäre.
Schon bei meiner Geburt brachte ich das Unglück mit mir, meine Mutter starb kurz nachdem ich meinen ersten Atemzug tat und mein Vater viel drei Tage später die Treppen im Krankenhaus hinunter und war von da an querschnittsgelähmt. Zwei Jahre später starb er dann an einem plötzlichen Herzstillstand. Ich wuchs in einem ziemlich heruntergekommenen Kinderheim auf und auch dort passierten fast täglich irgendwelche Unfälle, allerdings keine Lebensgefährlichen.
Erst, als ich dann in die 9. Klasse kam, passierte wieder etwas Schreckliches. Mein Lehrer war über meinen Fuß gestolpert und hatte sich bei dem Aufprall am Ende der Treppe das Genick gebrochen. Ich wurde vom Unterricht suspendiert und von da an besuchte ich nie wieder eine Schule, weil ich Angst hatte, so etwas könnte noch einmal geschehen.
Seit dem hatte ich kein richtiges Zuhause mehr, lebte mal hier und mal da und klaute Essen und Geld von anderen um überleben zu können. Ich mied die Nähe anderer aus Angst vor Unfällen. Und die Anderen mieden mich, jeder kannte meinen Namen, und wusste, was ich „verbrochen“ hatte. Denjenigen, die sich in meine Nähe wagten, passierten Tags darauf Schreckliches und ich verkroch mich immer weiter.
Allgemein nannten sie mich nun Sonanshoni, denn genau das war ich auch, ein Unglückskind.
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