Secret Garden.

It's Our World. Yours And Mine.

One & Only.

One & Only.





Wie beinahe jeden Tag saß das rosa haarige, junge Mädchen auf dem Gras, welches zwischen den einzelnen Grabsteinen wuchs und starrte in den Himmel. Ein unendlich wirkendes Meer aus weißen, dicken und dünneren Nebelschwaden umhüllte sie wie eine zweite Haut. Es fühlte sich an, wie der Atem längst vergangener Zeiten und der verstorbenen Menschen, die unter der Erde begraben waren. Stille hatte an diesem sonderbaren Ort einen ganz anderen Klang. Für normale Menschen zumindest, so aber nicht für Sakura. Gewiss, es war nicht als alltäglich zu bezeichnen, wenn ein acht-jähriges Mädchen fast ihre gesamte Freizeit auf einem Friedhof verbrachte, doch was sie wirklich einzigartig machte, war die Tatsache, dass sie die Toten sehen konnte. Schon seit ihrer Geburt hatte sie übersinnliche Fähigkeiten, die anderen Menschen nicht nur fremd, sondern auch unheimlich waren und so mied man sie meistens, wenn sie durch die Straßen ihres Heimatdorfes Konoha-Gakura lief. Ihr war das egal. Sie selbst wusste, dass sie nicht wie jeder war, dass sie in ihrer eigenen Welt lebte, trotzdem war sie glücklich. Einsamkeit war nicht ihr Feind, sie machte ihr keine Angst – ganz im Gegenteil: Wie ein zweiter Schatten folgte sie Sakura, war ihr ständiger Begleiter. Mit der Zeit hatte sie sich damit abgefunden, ja, sie zog einem Besuch auf dem Friedhof sogar jederzeit einem Gespräch mit einem Menschen vor, obgleich auf keinem der verwitterten Grabsteine der Name »Haruno« geschrieben stand.

Möglicherweise klang es seltsam, aber für sie gab es nichts schöneres mehr, als den Menschen hier dabei zuzuschauen, wie sie sich aus ihrer vermeintlichen letzten Ruhe erheben, um alte Freunde und Bekannte wieder zu treffen.


In diesem Augenblick fuhr ein frischer Herbstwind durch ihre schulterlangen Haare, trug ein bisschen weißes Meer vor sich hin und vereinzelt war das Geräusch von den wenigen Blättern zu hören, die zu dieser Jahreszeit noch an den wuchtigen Baumkronen hingen, die den Friedhof säumten. Im Sommer, wenn sich alle Blätter im saftigen Grün an den Ästen befanden, schien es so, als würden sich die Bäume miteinander unterhalten. Leise. Wispernd. Aber sie konnte nicht verstehen, was sie sich im sanften Wind einander zuflüsterten. Mittlerweile gab es in ihren Augen keinen magischeren Platz mehr, denn all das, was leblos zu sein scheint, war voller Leben und jeder noch so unbedeutende Windstoß verwandelte den Friedhof in einen Ort, dem unbeschreiblich viel Magie und Unentdecktes innewohnte. Sakura konnte ihre Faszination nicht in Worte fassen, wenn sie hierher kam, wo sonst eigentlich nur Trauernde hin gingen. Kein Einziger von ihnen bemerkte die Schönheit, die in verblasster Eleganz überall zu erkennen war.

Ein leises, kaum merkliches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie an die Menschen dachte, die ab und zu hierher kamen, um die Blumen der Gräber zu erneuern und danach sofort wieder verschwanden, ohne ihre Umgebung einer genauen Musterung zu unterziehen. All die natürliche Pracht schien sie nicht im Geringsten zu interessieren.

Langsam, beinahe andächtig, wandte sie ihren Blick den Geistern zu, die fröhlich lachend auf den Steinen saßen, auf denen ihre Namen fein säuberlich eingearbeitet waren, befreit von all der Last und der Ungeduld, die noch zur Lebzeit ihr unsichtbares Gefängnis darstellten. Ungeduld. Genau das war es, was sie alle daran gehindert hatte, so einen Anblick zu genießen, aber nun, wo Zeit keine Rolle mehr spielte, waren alle menschlichen Eigenarten eingestaubt und mit dem Regen davon gewaschen worden.


Auf einmal war ein Geräusch zu hören – ein Ast, der unter dem Gewicht eines Menschen zerbrach – und Sakura schreckte aus ihrem Trancezustand hoch. Hierbei handelte es sich um einen kleinen, blonden Jungen, der ungefähr in ihrem Alter und ihr ein Begriff war. Er war von den Dorfbewohnern ebenso verstoßen worden, wie sie selbst, was an dem Mal liegt, das seit seiner Babytage seinen Bauch prägte. Naruto, so hieß er und war angeblich vom Teufel besessen, behaupteten sie, Sakura jedoch schenkte diesem Gerücht keinerlei Glauben. Seine Eltern waren unter mysteriösen Umständen gestorben und seitdem war Einsamkeit auch sein Begleiter, doch ihm schien das deutlich mehr zuzusetzen, als ihr, was daran lag, dass seine Art von Einsamkeit eine andere war, als die ihre. Und so kam es nicht selten vor, dass sie ihn hier sah und er vor dem Grab seiner Eltern anfing, bitterlich zu weinen, als wollte er nie wieder aufhören und nicht ebenso selten verspürte sie den heftigen Drang in ihr, ihn in ihre Arme zu nehmen und ihm irgendein tröstendes Wort ins Ohr zu legen. Das Mädchen mochte es nicht, Menschen traurig zu sehen, denn Trauer war für sie ein Zeichen dafür, dass das Glück immer mehr aus dem Körper wich.

Wieder einmal überlegte sie lange hin und her, ob sie zu ihm gehen und ihn – von Neugier und Mitleid geplagt - ansprechen sollte, denn sie mochte ihn. Weil er fast ebenso oft auf den Friedhof kam, wie sie selbst, aber auch, weil sie in ihm jemanden sah, der sie verstehen könnte, da er im Grunde nicht viel anders war. Tief sog sie die klare, kühle Luft ein, als wäre es das letzte bisschen Luft, das ihr geblieben war und richtete sich schließlich auf. Ihre Knochen waren von der Zeit, die sie hier verbracht hatte, steif gefroren und fühlten sich schwer an, als wäre sie nicht acht, sondern achtzig Jahre alt. Mit kleinen Schritten näherte sie sich dem Jungen, darauf bedacht, die Ruhe dieses Ortes nicht durch zu laute Geräusche zu stören.

»Hallo.« Vorsichtig, fast so, als hätte sie ihre Stimme schon lange nicht mehr gebracht, sprach sie ihn an und erregte somit seine Aufmerksamkeit. Seine Augen waren blutunterlaufen von all den Tränen, die urplötzlich versiegten und lediglich eine gerötete Spur auf den Wangen hinterließen. Mit fahrigen Händen wischte er sich die restliche Flüssigkeit weg, welche noch in seinen Augenwinkeln verweilte.

»Hallo«, antwortete er ebenso vorsichtig und musterte sie kurz. »Du bist hier auch öfter, oder nicht?«, fügte er mit einem fragenden Gesichtsausdruck hinzu. Ihm war sie auch nicht entgangen, wie sie immer an ein und der selben Stelle saß und gen Himmel blickte, als könnte sie ihm irgendwelche Informationen entnehmen, welche anderen verborgen blieben.

»Jeden Tag!«, bestätigte, nickte bekräftigend und schenkte ihm darauf ein aufmunterndes Lächeln. »Alles okay?«, wollte sie wissen, wenngleich seine Augen ganze Bände sprachen.

»Ja. Ich wollte nur kurz hierher, um die Blumen zu gießen.«

»Du solltest an einem solchen Ort nicht weinen. Deine Eltern... Sie leben noch. Ich kann sie sehen.« Todernst, als spräche sie hier von Sternen am Nachthimmel und nicht von der seltsamen Gabe, die ihr zuteil wurde, blickte sie ihm in seine Seelenspiegel, welche er verwundert aufriss.

»Das glaub' ich dir nicht!«, meinte er und grinste verschmitzt, als gäbe es die Tränen nicht, die gerade im Boden verschwunden waren, auf welchem er stand.

»Ehrlich!« Etwas beleidigt, weil er ihr nicht glaubte, plusterte sie ihre Backen auf. »Ich sehe sie jeden Tag. Ihnen geht es gut und sie sind jedes Mal traurig, wenn sie dich weinen sehen«, erklärte sie ihm und richtete ihren Blick auf den Boden und auf ihren einen schwarzen Schuh, auf dem gerade ein kleiner Käfer empor kletterte. »Sie wollen dich in den Arm nehmen und dich trösten, aber sie können es nicht, denn sie besitzen keinen Körper mehr...«

»Wieso kann ich das nicht?«

»Kann ich nicht sagen. Ich weiß doch nicht einmal, wieso ich es kann! Schau, im Grunde sind wir beide gar nicht so verschieden. Wir zwei werden von anderen Menschen schlecht behandelt. Ich, weil ich diese Kräfte besitze und du, weil du... nun ja... ein Teufelskind sein sollst.« Sie schaute ihn an, mit ihren großen, smaragdgrünen Kulleraugen und fragte sich, weshalb sie sich eigentlich über solche Sachen Gedanken machte. Und er sie, mit seinen azurblauen Kulleraugen, weil er nicht wusste, ob sie wirklich seine Eltern sehen konnte.

»Wer bist du eigentlich?«, fragte er schließlich nach, das Lächeln schon längst wieder verschwunden hinter dem Schmerz, der sein Gesicht zeichnete. Schmerz, der früher Mal Glück und Fröhlichkeit gewesen war. Die kleinen Grübchen in seinen Wangen zeugten davon, dass er mal sehr viel gelacht hatte.

»Ich? Öh... Nenn mich einfach Sakura, okay? Und du?«

»Hehe, ich bin Naruto! Naruto Uzumaki! Und ich werde später einmal die Welt vor einem Bösewicht retten!«, versprach er ihr und nickte ebenso ernsthaft, wie sie vorhin. Was er noch nicht wissen konnte, war, dass die Welt aus vielen Bösewichten bestand, in Gestalt von harmlos wirkenden Menschen, die anderen Menschen Böses taten, um ihr eigenes Leben voran zu bringen. Laserstrahlen und ein wehender Umhang konnte sie nicht in Angst und Schrecken versetzten oder sie gar vertreiben.

»Was für Bösewichte?«

»Naja, du weißt schon... Menschen, die mit Steinen auf die werfen, die sie nicht mögen...«

»Das klingt toll!«, meinte sie daraufhin nach kurzem Zögern und kicherte dann in ihre Hand, die sie vor ihren Mund geschlagen hatte. Die Leichtigkeit, mit der Kinder miteinander Kontakt knüpften, verflog mit dem Alter, wie die Erinnerungen an Menschen verblassten, deren Gesichter man nicht mehr jeden Tag sah.

»Ja, nicht?!«, lachte er nun auch und so wirkte die traurige Melancholie des Friedhofs gar nicht mehr so traurig. Wie ein kleines Lichtchen inmitten tiefschwarzer Finsternis standen sie da und erhellten die ganze Umgebung mit ihrer kurzweiligen Fröhlichkeit.

»Du, Sakura-chan? Können wir woanders hingehen? Ich mag diesen Ort irgendwie nicht...« Etwas verlegen starrte er nach unten und rieb mit seinem rechten Fuß im lehmigen Untergrund herum, als suchte er nach etwas.

»Nicht...? Ich dachte, du magst
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