Wieso Herr?

machten, dass meine Eltern und Brüder wirklich nicht mehr lebten.

Man wies mich an im Wartezimmer zu bleiben, während sie die zuständigen Behörden für mein Verbleiben anriefen.

Die Freundin meines Bruders sass dort.

Ich sah ihre verheulten Augen.

Ihr ging es wie mir. Doch sie hatte noch eine Familie, die sie trösten konnte.

Ich setzte mich neben sie und spendete ihr auf schweigend Trost.

Es war tröstlich zu wissen, dass man mit seinen Gefühlen nicht alleine war.

Als man mich wieder rief, gab sie mir einen Zettel mit ihrer Handynummer. Dankbar sah ich sie an und folgte dann dem Ruf.

Der zuständige Beamte des Jugendamtes war inzwischen eingetroffen.

Es war seltsam. Ich war inzwischen 17. Ich würde in wenigen Monaten volljährig werden. Und doch war die Frage offen, wer mein Vormund werden würde.

Meine Eltern hatten mir zwei Patinnen ausgesucht. Die Zweite hatte den Grund, dass die Erste nach der Scheidung ein emotionales Tief hatte und ich sie sehr selten mehr zu Gesicht bekommen hatte.

Inzwischen hatte sie sich aber erholt und verbrachte ab und zu Zeit mit mir.

Meine andere Patin hatte ich seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen. Sie war umgezogen und wir konnten sie deshalb nicht mehr so oft besuchen.

Man rief sie beide an und bat sie herzukommen.

Geschockt über was geschehen war, kamen beide so schnell wie möglich her.

Trotzdem dauerte es eine Stunde, denn Beide lebten weiter entfernt.

In dieser Stunde bekam ich etliche Anrufe auf meinem Handy.

Mein Zwilling hatte ihrer Tochter erklärt, wieso sie nicht zur Schule gekommen war heute. Und sie hatte es ihrer Mutter erzählt. Diese war eine tragende Persönlichkeit in der Gemeinde und so fand mein Schicksal schnell seinen Weg durch die Gemeindemitglieder.

Die, die mich kannten riefen mich an, und sprachen ihr Beileid aus. Fragten nach meinem Befinden. Sprachen mir Mut zu, redeten davon, dass Gott sicher noch etwas vorhatte mit mir und ich deshalb überleben musste.

Ich log sie an. Ich erzählte es ginge mir gut. Dass ich verstünde, dass Gott etwas vorhatte mit mir und ich deshalb ausharren musste. Dass ich es durchstand da Gott bei mir war.

Doch in diesem Moment war Gott für mich gestorben.

Ich fühlte nicht das warme Gefühl, dass ich sonst immer spürte, wenn ich Worship hörte.

Ich hatte das Gefühl alleine auf der Welt zu sein. Ohne jeglichen Halt.

Als meine zweite Patin endlich eingetroffen war, begann die Diskussion, zu wem ich nun kommen würde.

Sie diskutierten hin und her, warfen ein, dass ich kurz vor der Matura stand. Dass ich Freunde hatte und mitten in einer Matura-Arbeit steckte.

Mich fragte sie überhaupt nicht.

Ich war bloss ein stiller Beobachter dieser Diskussion.

Man befand, dass ich zu meiner ersten Patin kommen sollte, da sie erstens näher an meinem ursprünglichen Wohnort lebte und zweitens mehr Platz hatte.

Ich sollte gleich mit ihr mit gehen. Da ich sowieso nichts mehr zu packen hatte. Das Feuer hatte alles zerstört. Und was nicht vollkommen zerstört war, war als Beweismittel zurückgehalten worden.

Also hatte ich gar nichts mehr.

Meine Patin brachte mich zurück in den Warteraum, wo mein Zwilling mit ihrer Mutter wartete. Die Freundin meines Bruders war schon gegangen.

Ich erklärte ihr in knappen Worten die Lage, woraufhin auch ihre Augen zu tränen begannen.

Ich müsse sie anrufen, sobald ich ankäme. Sie würde mich bald besuchen kommen.

Ich müsste unbedingt trotzdem ins Tessin kommen. Mit diesen Worten verliessen sie und ihre Mutter die Wache.

Auch meine Patin brachte mich nun zu ihrem Auto. Wir hatten eine nicht gerade kurze Fahrt vor uns.

Wir fuhren schweigend, doch ich sah auch in ihrem Gesicht den Schmerz des Verlustes ihrer besten Freundin.

Ich hatte meine Patin lieb, doch trotzdem wollte ich meine Familie zurück.

Bei ihr Zuhause angekommen, rief ich zuerst meinen Zwilling an, während meine Patin, ein Zimmer richtete.

Sobald es fertig war, legte ich mich in das Bett und begann zu weinen.

Ich hatte gedacht meine Tränen wären aufgebraucht, doch das waren die noch lange nicht.

Meine Patin setzte sich nach einer Weile einfach neben mich und strich mir schweigend durch die Haare.

Irgendwie würden wir das durchstehen, versicherte sie mir. Es täte nur am Anfang so weh.

An diesem Tag ass ich nichts.

Auch am folgenden Tag tat ich nichts weiter als auf dem Bett zu liegen und mich selbst zu bemitleiden.

Ich wünschte mir dieses stumpfe Gefühl zurück, dass meinen Schmerz betäubte, doch es wollte einfach nicht kommen.

Meine Patin sorgte für meinen Schulwechsel und meldete mich am Gymnasium in der Nähe an. Doch ich hatte keine Absicht, je wieder dieses Zimmer zu verlassen.

Als ich am dritten Tag wieder nicht aus dem Zimmer kam, brachte meine Patin mir das Essen ins Zimmer.

Ich solle was essen, meinte sie.

Ich ging ihrer Bitte nach.

Sie hatte mein Leibgericht gekocht, doch es schmeckte für mich nach nichts.

Ich wartete immer noch darauf, dass meine Mutter herein kommen würde und mich ausschimpfte ich solle endlich nach draussen gehen, da es so schönes Wetter wäre.

Erst drei Tage später kam ich aus dem Zimmer.

Ich ging zu meiner Patin und bat sie mich am nächsten Tag in die Gemeinde zu fahren.

Es würde das erste Mal sein, dass ich die Wohnung wieder verliess seit ich sie betreten hatte.

Am selben Tag brachte man mit, was aus unserer abgebrannten Wohnung noch zu retten war.

Es war nicht viel.

Meine externe Festplatte mit all meinen Daten, die ich an dem Morgen aus Trotz vor meinem Vater, der sie formatieren wollte, in einem Plastikbeutel im Gefrierfach versteckt hatte und das Macbook meines älteren Bruders, das er in einer wahrscheinlich feuerfesten Laptoptasche verstaut hatte, da er ihn für sein Informatik-Studium brauchte. Ausserdem hatte ein einziges Familienfoto überlebt, dass an der Wand über der Türe ins Wohnzimmer gehangen hatte. Es war leicht angekokelt, doch grösstenteils verschont geblieben, da nichts in seiner Nähe richtig gebrannt hatte.

Sie hatten inzwischen die Untersuchung abgeschlossen.

Ursache des Feuers war wirklich ein Toaster, doch es war nicht ein Kurzschluss im Toaster, sondern dass er im Alkohol gelegen hatte und der Nachbar unter uns mit ziemlich hohem Blutalkoholspiegel eine Zigarette rauchen wollte und diese im Alkohol gelandet war und so den Toaster entzündet hatte.

Ein Trost war es nicht.

Der Schuldige war ebenfalls tot. Ich wusste nicht wohin mit meiner Trauer und meiner Wut und schloss mich in meiner Verzweiflung in meinem neuen Zimmer ein.

Dort schloss ich meine Festplatte am Laptop meines Bruders an und drehte laut Musik auf um mich abzulenken.

Ich starrte auf das alte Familienfoto. Es war ein Altes. Mindestens zehn Jahre alt. Es wurde in Kanada bei Verwandten aufgenommen und zeigte meine Mutter, meinen Vater, meinen grossen Bruder und mich auf seinen Schultern. Mein kleiner Bruder war nicht drauf. Er war damals zu klein und hatte im Haus meiner Verwandten geschlafen.

Wieder wollten mir die Tränen hochkommen, doch ich hielt sie zurück.

Lauthals sang ich mit meiner Musik mit, meine Stimme brach oft.

Das war alles was mir von meiner Familie geblieben war.

Am nächsten Morgen läutete mein Wecker erbarmungslos früh. Ich war im laufe der letzten Nacht irgendwann erschöpft zusammengebrochen, darum lief die Musik noch. Zwar nicht so laut wie zuvor, da ich sie nach einer Weile leider gemacht hatte doch sie motivierte mich aufzustehen und mich fertig zu machen.

Meine Patin war ebenfalls schon wach als ich aus dem Zimmer kam. Die Musik hatte ich inzwischen ausgeschaltet.

Wir machten uns auf den Weg in die Gemeinde, wo mich alle besorgt empfangen.

Meine Patin blieb die ganze Zeit neben mir, zwar völlig fehl am Platze, doch sicher, dass sie in meiner Nähe bleiben müsste, damit ich jemanden hatte.

Man hatte den Gottesdienst in Hinsicht auf die Ereignisse des letzten Sonntags zu einem Trauergottesdienst umfunktioniert.

Die wenigsten der Anwesenden kannten meine Eltern, da sie nicht zu dieser Gemeinde gehörten, doch man kannte mich und sah wie sehr es mich schmerzte.

Alle wussten nun um mein Schicksal. Spätestens als man mich nach vorne bat um für mich zu beten.

In mir herrschte Leere. Ich fühlte nichts mehr.

Nichts mehr ausser Wut.

Wut auf diese Heuchler, die für mich beteten, obwohl sie wussten, dass es meine Eltern und Brüder auch nicht zurückbringen würde. Die mir sagten sie wären an einem besseren Ort, obwohl sie diesen noch nie gesehen hatten.

Wut auf Gott, dass er es nicht verhindert hatte, dass meine Familie verbrannte.

Wut auf mich selbst, dass ich sie nicht mitgenommen hatte oder zumindest bei ihnen war.

Als der Gottesdienst zu Ende war, bat ich die anderen schon einmal vor zu gehen. Ich wolle noch ein bisschen mit Gott reden, meinte ich.

Schliesslich war ich alleine im Saal.

Starr blickte ich auf die Bühne hoch.

Ich hatte meine Familie nie wirklich dazu bewegen können hier her zu kommen.

Nur meinen kleinen Bruder hatte ich ab und zu zu den Royal Rangers mitgenommen.

Der Rest hat Gott nie so gekannt wie ich ihn kannte.

Nie wirklich seine Liebe gespürt.

Die Liebe die ich nun nicht mehr fühlen konnte.

Wieder bahnten sich die Tränen ihren Weg an die Oberfläche und rollten an meinem Gesicht herab.

Verzweiflung kam wieder in mir auf in Angesicht dessen, was ich alles noch hatte mit ihnen tun wollen.

Ich konnte sie nicht mehr in mir halten. Ich beschimpfte Gott, wie er es nur habe wagen können, mir meine Familie zu nehmen, was ich getan hätte um das zu verdienen, ob das die Strafe wäre, dass sie nicht in die Gemeinde kamen, wieso ich überleben musste.

Schliesslich hatte ich all meine Gedanken in Worte gefasst und weinte nur noch.

Dann fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter.

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