Schattennacht

junge Frau verlegen, ihre Wangen gerötet von der Erinnerung an die Tiere, die sie gerufen hatte, bevor sie ihn geküsst hatte, jenen Kuss, den er mit keinem Wort erwähnt hatte.

„Es gibt keinen Grund, ob eines Kompliments verlegen zu sein“, meinte der schwarzhaarige Mann freundlich, da er die geröteten Wangen der jungen Frau sah, aber nicht zu verstehen vermochte, warum sie verlegen war. „Nachdem du gelernt hast, deine Aura vollständig zu kontrollieren, werde ich dich darin unterrichten, sie in den verschiedensten Bereichen gezielt einzusetzen.“

„Was für Bereiche denn?“, fragte Akane angespannt, den Blick keine Sekunde vom Gesicht ihres Meisters gerichtet.

„Mit ein bisschen Übung wirst du beispielsweise in der Lage sein, mit Leichtigkeit einen Lügner zu erkennen, wenn er nicht perfekte Kontrolle über sich selbst hat“, beantwortete ihre neuerliche Frage geduldig und deutete auf eine am Rande seines Blickfeldes vorbeihuschende Wildkatze, die offenbar auf der späten Jagd nach Beute war. „Weißt du, warum Katzen stets so skeptisch sind? Sie sind fähig, die Aura der sie umgebenden Lebewesen zu sehen, und erkennen daher, dass jedes Lebewesen lügt. Deshalb verbringen sie ihre Zeit lieber alleine oder mit jenen, die ihnen wohl gesonnen sind, denn sie wissen, wem sie vertrauen können. Diese Kleine hier hat sich uns nur deswegen genähert, ohne ihre Deckung zu wahren, da sie wusste, dass wir ihr keinen Schaden zufügen wollten, und konnte deshalb ihre Beute erlegen. Du siehst also, es bringt unerdenkliche Vorteile mit sich, seine Aura zu beherrschen.“

„Das kann ich mir sehr gut vorstellen“, stimmte die junge Frau zu und stellte wissensdurstig die nächste Frage: „Was noch?“

„Du wirst beispielsweise erkennen, wenn du am Ziel deiner Reise bist“, flüsterte der Zauberer und blieb stehen, um seinem Lehrling in die Augen zu blicken.

„Wie das?“, fragte sie gespannt und blieb neben ihm stehen, den Blick starr auf seine azurblauen Augen gerichtet.

„Indem du deine Augen aufmachst“, meinte er scherzhaft und deutete auf den schlichten Holzwall, mit dem das kleine Dorf, aus dessen an den Hütten angebrachten Kaminen spiralenförmig Rauch austrat, der die Geschäftigkeit der Farmer zu solch früher Stunde andeutete. „Wir sind da. Ich werde nur einige Dinge einkaufen, und dann wieder in mein Heim zurückkehren. Bitte komme morgen zur selben Zeit zu meiner Hütte, dann werden wir deine Ausbildung fortsetzen.“

Bevor sich der schwarzhaarige Mann jedoch auf den verbleibenden Weg zum Dorf machen konnte, wurde er von den schmalen Händen seiner Begleiterin zurückgehalten, die seinen Mantel verlegen festhielt, während sie auf den Boden zu seinen Füßen blickte. Mit wild schlagendem Herzen, hoffend, dass sie keine Grenze überschritt, atmete sie die kalte Morgenluft, die sie bis dahin nicht bemerkt hatte, da sie die Worte ihres Zauberers gefangen gehalten hatten, tief ein, um sich selbst zu beruhigen, und sprach sich in ihrem Geiste den nötigen Mut zu, um ihm die nächste Frage zu stellen.

„Wenn wir schon einmal gemeinsam im Dorf sind, hättest du dann vielleicht Lust, ich meine, du musst nicht, wenn du nicht willst, aber würdest du vielleicht gerne, ich meine, magst du heute Abend vielleicht bei uns, ich meine, bei meiner Familie essen, als kleiner Dank sozusagen, als Dank für alles, was du für uns, für mich getan hast?“, fragte sie, ohne ihren Blick vom gefrorenen Erdboden auf ihn zu richten.

„Ich weiß nicht, Akane. Eigentlich esse ich nur mein eigenes Essen bei mir zu Hause, und außerdem bezweifle ich, dass deine Familie mich gerne in ihrem Haus sehen würde“, antwortete er ihr, als er ihre Enttäuschung mit fast allen Sinnen vernahm; ein beinahe unhörbarer Seufzer entfloh ihren Lippen, während sich ihr Griff, mit dem sie seinen Mantel festgehalten hatte, lockerte, ihre Schultern sanken, und sich die Ausstrahlung ihrer selbst verringerte, sodass der junge Mann widerstrebend einlenkte. „Aber ich denke, eine Ausnahme wird nicht schaden, oder?“



Leise und langsam schob Akane die Türe zum Haus ihrer Familie auf und schlüpfte lautlos durch den schmalen Spalt, um niemanden aufzuwecken und peinlichen Fragen auszuweichen, doch als sie ihren schlanken Körper in das Haus bugsiert hatte, sah sie sofort, dass sich ihre zwei Schwestern und ihr Vater bereits zum Frühstück am Essenstisch versammelt hatten. Flehentlich blickte sie auf ihre ältere Schwester, die ihr Eintreffen als erstes bemerkt hatte, vergeblich hoffend, dass sie ihr die Möglichkeit geben würde, sich zu erklären, bevor sie fragte, wo sie die Nacht verbracht hatte.

„Ach, sieh mal an, wer sich da entscheidet, endlich nach Hause zu kommen“, meinte Nabiki betont beiläufig mit einem neckischen Grinsen. „Akane! Wo warst du denn die ganze Nacht? Wir haben uns schreckliche Sorgen gemacht.“

„Akane?“, fragten ihr Vater und ihre älteste Schwester wie aus einem Munde, und drehten sich mit besorgten Blicken zur Haustüre um, vor der die junge Frau noch immer peinlich berührt stand, bevor Kasumi auf sie zu schritt. „Akane! Bin ich froh, dich zu sehen! Wir haben uns solche Sorgen gemacht, als du gestern nicht nach Hause gekommen bist. Was, wenn dich ein wildes Tier im Wald angefallen hätte? Aber du bist in Ordnung! Komm herein, setz dich!“

„Ist schon gut, Kasumi“, antwortete die schwarzhaarige Frau beschwichtigend, als ihre Schwester sie in einen Stuhl am Tisch bugsierte. „Vater, es tut mir schrecklich Leid, dass ich gestern nicht nach Hause gekommen bin, aber ich bin aufgrund der harten Ausbildung vollkommen erschöpft eingeschlafen, und erst heute Morgen aufgewacht.“

„Ist schon gut, mein Schatz“, meinte der Älteste der Familie freundlich und nahm die Hand seiner Tochter liebevoll in seine eigene. „Ich bin nur froh, dass du wieder wohlbehütet in deinem Heim bist.“

Beunruhigt durch das überschwängliche Willkommen und die fehlenden Fragen ihrer Schwestern nach ihrem gestrigen Aufenthalt beobachtete die junge Frau skeptisch ihre Familienmitglieder und glaubte alsbald, eine versteckte Nervosität hinter der Maske der Fröhlichkeit zu erkennen. Den dargereichten Teller dankend mit der Begründung, dass sie bereits gefrühstückt hatte, ablehnend, versuchte sie, ihr wild schlagendes Herz wie am Vortage zu beruhigen, all die Geschehnisse, alle Gedanken für den Moment zu verdrängen, um das Auge des Sturms in ihr zu finden, in dem jene Ruhe herrschte, die sie benötigte, um sich selbst zu finden, und damit zu erkennen, was vor sich ging. Als Akane ein letztes Mal tief durchatmete, um sich zu beruhigen, und gerade dabei war, ihre Augen zu schließen, um die Aura ihres Vaters zu suchen, flackerte diese schwächlich auf, um sofort wieder im Nichts zu verschwinden. Erstaunt hielt sie kurz inne, bevor sie verstand, dass sie ihre Augen nicht schließen musste, um sehen zu können, und füllte ihr Herz von Neuem mit jener eisigen Kälte, die die Ruhe mit sich brachte, bis sie das schwächliche Grün, das ihren Vater umgab und jedes Mal, wenn sie ihm in die Augen blickte, züngelnd ausschlug, wieder erkennen konnte.

„Was ist los?“, fragte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen, als sie dasselbe züngelnde Phänomen auch bei ihren beiden Schwestern beobachtet hatte, wann immer sie ihnen in die Augen geblickt hatte, da sie annahm, dass es bedeutete, dass ihre Familie ihr etwas verheimlichte.

„Was meinst du?“, antwortete ihre älteste Schwester ihrer Frage betont unbeschwert und wechselte einen besorgten Blick mit ihrem Vater. „Was soll denn los sein?“

„Was los sein soll?“, wiederholte sie ungläubig, und zählte an ihren Fingern auf, was sie so überraschte. „Zuerst seid ihr ungemein froh, dass ich heute früh nach Hause gekommen bin; gut, das mag tatsächlich nur Sorge gewesen sein, aber warum habe ich kein Wort des Tadels von euch gehört? Warum hat Nabiki noch kein Wort darüber verloren, dass ich heute Nacht nicht nach Hause gekommen bin, da sie doch sonst immer an den neuesten Gerüchten interessiert und nicht weniger oft an derer Entstehung beteiligt ist? Warum seid ihr so nervös? Und wofür war dieser Blick zwischen euch beiden gerade?“

So resolut blickte die junge Frau in die Runde, dass sowohl ihr Vater als auch ihre älteste Schwester die dünn bestrichenen Brote von ihren Händen wieder auf die hölzernen Teller gleiten ließen und ihren Blick schweigend erwiderten, während Nabiki das Spektakel vergnügt grinsend beobachtete, das sie keineswegs daran hinderte, das Frühstück zu verspeisen. Nachdem sich das Schweigen wie eine Barriere über den gesamten Raum verteilt hatte, zerschlug die grinsende Frau das gläserne Tor zwischen den beiden Welten mit einem gespielten Seufzer, der die Blicke all ihrer Familienmitglieder auf sie richten ließ.

„Die Katze wird ja offensichtlich gleich aus dem Sack gelassen, nicht wahr?“, stellte sie sachlich fest. „Kann ich dann wenigstens einen Kommentar über gestern Nacht abgeben?“

„Nein!“, herrschten sie ihre Schwestern und ihr Vater zeitgleich an, bevor ihr Vater resigniert seufzte, und seine jüngste Tochter entschuldigend anblickte. „Ja, du hast Recht, mein Schatz, wir haben eine Überraschung für dich, aber da ich dir die Überraschung nicht verderben möchte, und auch nicht wüsste, wie ich es dir sagen sollte, musst du dich bis heute Abend gedulden.“

„Heute Abend?“, wiederholte die junge Frau langsam und überlegte angestrengt, warum sie an diesem Abend keine Überraschung haben wollte, bevor sie so abrupt aus ihrem Stuhl sprang, dass ihre Familie sie erschrocken anstarrte. „Heute Abend?! Ich habe ganz vergessen, euch zu sagen, dass der Zauberer, ich meine, dass ich Ranma heute Abend zum Essen eingeladen habe! Könnt ihr mir nicht lieber gleich sagen, was die Überraschung ist? Heute Abend ist es nämlich ganz
Suche
Profil
Gast
Style