Schattennacht

schlecht!“

„Nein“, meinte ihr Vater nachdenklich und warf seiner ältesten Tochter einen unsicher fragenden Blick zu, die jedoch als Antwort ihren gesenkten Kopf schüttelte, sodass Akane die vermeintliche Bedeutung der Gestik der beiden Erwachsenen sofort durch einen Sturm ihrer Worte zu verdrängen versuchte.

„Ich kann Ranma nicht mehr ausladen!“, rief sie aus, die Hände auf den Tisch stemmend. „Du weißt, ich kann das nicht tun, nachdem ich ihn überredet habe, zum Essen zu kommen! Nicht, nachdem wir ihm, nachdem ich ihm so viel schuldig bin! Vater, bitte!“

„Nein, Akane, du sollst deinen Meister nicht ausladen“, verteidigte ihr Vater seine Worte mit einem angedeuteten Lächeln ob ihrer aufbrausenden Art. „Es ist sogar besser, dass der Zauberer heute hier ist, wenn die Überraschung eintrifft, denn sie wird aller Voraussicht auch deine Lehre betreffen. Aber genug davon! Wir haben noch eine Menge Arbeit zu erledigen, wenn wir bis heute Abend fertig werden wollen!“



Mit Feuereifer stürzte sich die junge Frau auf die alltäglichen häuslichen Arbeiten, doch obwohl sie schneller arbeitete als jemals in ihrem Leben zuvor schien weder die Arbeit weniger zu werden noch die Zeit schneller zu vergehen; vielmehr erschien es Akane, als ob die Zeit stehen blieb, während sie sehnsüchtig auf den Abend wartete, doch schließlich rief ihr Vater seine Töchter zu sich in die Wohnstube, um sie anzuweisen, Wasser vom Dorfbrunnen zu holen, damit sie sich für das Abendessen waschen konnten. Hastig und doch vorsichtig warf die schwarzhaarige Frau jenen weißen Mantel, den ihr Ranma bei ihrem ersten Treffen geliehen hatte, über ihre Schultern, die von ihrer Arbeitskleidung bedeckt waren, und machte sich mit ihren Schwestern auf den Weg zum Dorfplatz, auf dem sich der Brunnen befand.

„Also sag mal, Akane“, begann Nabiki interessiert, während die drei Damen auf den ungewöhnlich leeren Dorfplatz traten, um das Wasser aus dem Brunnen zu holen. „Bis jetzt hast du immer mit den Details ziemlich gespart, aber wenn der Zauberer heute tatsächlich bei uns zu Abend isst, dann würde ich gerne vorher wissen, was mich erwartet; wie sieht er denn aus?“

„Hast du dich gefragt, warum der Dorfplatz zu dieser Stunde so verlassen ist?“, antwortete Akane der Frage ihrer Schwester mit einer Gegenfrage, während sie den Eimer in den Brunnen warf, und sich nach wenigen Momenten an die Arbeit machte, die Kurbel zu betätigen, um das Wasser hervorzuholen, und erklärte ihrer Schwester, nachdem diese den Kopf geschüttelt hatte: „Der Platz ist so leer, weil unsere lieben Nachbarn schreckliche Angst vor dem Zauberer haben, und er dort drüben neben dem Ältesten des Dorfes steht und sich mit ihm unterhält.“

Neugierig drehten sowohl Nabiki als auch Kasumi ihre Köpfe zu dem mit einem Kopfnicken ihrer Schwester angedeuteten Platz wenige Meter vom Dorfbrunnen entfernt, und betrachteten den Fremden, der ihnen bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgefallen war und sich wie auf einen Wink zu ihnen umdrehte, mit größtem Interesse. Hoch ragte der Zauberer über den vom Alter gebückten Ältesten auf, seine Augen verdeckt von einem tief in das Gesicht gezogenen, schwarzen Hut, der einen langen Schatten auf sein restliches Gesicht warf, sodass es schwer fiel, seinen Mund überhaupt auszumachen, sein schulterlanges, rabenschwarzes Haar lose auf einem ebengleich schwarzen, schweren Ledermantel liegend, der achtloser Eleganz über seinen Schultern lag, doch nicht zugeknöpft war, sodass sowohl sein schwarzes, reich verziertes Hemd als auch seine schwarze Hose, in deren Taschen er seine Hände vergraben hatte, sichtbar waren.

Als Akane den Eimer mit Wasser endlich hochgezogen und das Wasser in ihren Eimer umgefüllt hatte, drehte sie sich ihren Schwestern zu, die ihren Meister noch immer bewundern anstarrten, bis dieser seinen Hut für eine Sekunde aus seinem Gesicht zog, um seinen Lehrling lächelnd zuzublinzeln, bevor er sich mit dem in sein Gesicht fallenden Hut der Konversation mit dem alten Mann widmete. Sprachlos wandten sich Kasumi und Nabiki ihrer Schwester zu, die ihrem Zauberer noch immer kokett zulächelte, und stolperten synchron zwei Schritte zurück, als sie zu sehen glaubten, wie sich ihr weißer Mantel für den kurzen Moment, in dem sie ihr Lächeln aufrecht erhielt, in einem satten Rot färbte, bevor er wieder zurück zu seiner ursprünglichen Farbe wurde.

„Was ist los?“, fragte die junge Frau unschuldig, als sie die entsetzten Gesichter ihrer Schwestern sah, die sich verwirrt die Augen rieben, und fügte lächelnd an: „Ich habe euch doch gesagt, dass er nicht das Monster ist, für den ihn alle halten!“



Während die drei Frauen zurück zu ihrem Haus liefen, bemerkten sie, dass die ersten Schneeflocken vom Himmel fielen, die in ihrer Anzahl und Intensität reichlich zunahmen, als sie sich für das Essen wuschen. Nachdem alles bereitet war, nahmen die Familienmitglieder wartend am einzigen Tisch des Hauses Platz, und nur kurz darauf klopfte es dreimal hart an der Türe. Hastig öffnete der Vater die Türe und betrachtete für wenige Momente die imposante Figur des Zauberers, die alles Getuschel der Schwestern sofort zum Schweigen brachte, bevor er ihn mit einer Verbeugung hereinbat.

„Willkommen, willkommen, der Herr!“, begrüßte er Ranma, den Blick auf den Boden gerichtet, und wies ihn mit seiner rechten Hand an, am Tisch neben seiner jüngsten Tochter Platz zu nehmen, doch wurde überrascht, als der Zauberer ihm seine rechte Hand auf die Schulter legte und ihn zwang, sich aufzurichten, während er mit seiner linken Hand seinen schwarzen Hut abnahm.

„Bitte keine Verbeugungen vor mir, denn ich bin nicht Ihr Meister“, ermahnte er ihn freundlich, als er in das Haus eintrat. „Hallo, Akane, und das müssen deine beiden Schwestern Kasumi und Nabiki sein. Ich glaube, wir hatten das Vergnügen bereits, uns auf dem Dorfplatz zu sehen.“

Mit einem Lächeln trat er an den Tisch und begrüßte nacheinander die älteste, mittlere, und jüngste Tochter des Hauses mit einem eleganten Handkuss, sodass die drei Frauen erröteten, bevor er sich dem Herrn des Hauses zuwendete, der noch immer an der offenen Türe stand und wartete.

„Wollen Sie die Türe nicht zumachen?“, fragte er höflich und wollte gerade seinen Mantel ablegen, als er das unverkennbare Geräusch eines vom Pferd absteigenden Reiters, gefolgt von klirrenden Schritten vernahm, um kurz darauf die massive Gestalt eines in einer eisenbeschlagenen Rüstung mit Schnabelhelm gekleideten Ritters zu erkennen, der unaufgefordert das Haus betrat und seinen Helm abnahm. „Was willst du hier? Ich wohne in der Hütte am See, wenn du mich also sprechen möchtest, dann komme morgen dort vorbei!“

„Hüte deine Zunge, Bauer!“, mahnte der Ritter, dessen Schopf schwarzen Haares und junges Gesicht unter dem abgenommenen Helm zum Vorschein kamen. „Ist das eine Art, mit seinem Lehnsherren zu sprechen? Und warum sollte ich mit jemandem wie dir sprechen wollen?“

„Schweig still!“, hauchte der junge Zauberer in seiner tiefen Stimme, die von überall und nirgends zugleich von den Wänden zu hallen schien, sodass sie laut und mächtig in der kleinen Hütte dröhnte, während er seinem mit vor Ehrfurcht mit Stille geschlagenen Gegenüber mit ausgestreckter Hand und erhobenem Zeigefinger gebot, sich nicht zu bewegen. „Für dieses eine Mal werde ich deiner Unhöflichkeit und Unwissenheit nachsehen, aber solltest du mir ein weiteres Mal mit solcher Unverschämtheit begegnen, dann gnade dir Gott, Ritter! Nun sprich, was willst du hier?“

„Akane“, antwortete eine männliche Stimme, doch es war nicht der erstarrte Ritter, der seiner Frage antwortete, sondern der Vater der Familie, der die Türe nun langsam ins Schloss fallen ließ. „Das ist Ritter Kuno, ihm gehören viele der Ländereien um unser Dorf. Er hat von deiner unvergleichlichen Schönheit gehört, und hat beschlossen, dich, sollten die Gerüchte der Wahrheit entsprechen, in den Adelsstand zu erheben, indem du ihn heiratest.“

Akane erbleichte und starrte den jungen, arroganten Ritter mit vor Schreck geweiteten Augen an, während ihre Gedanken rasten. Sie wusste, dass sie sich einer Hochzeit nicht widersetzen konnte, wenn er sie für würdig erachtete, da es beinahe nie vorkam, dass ein Adliger eine Unfreie zur Gemahlin nahm, und sie mit einer widerwilligen Äußerung alleine nicht nur die Ehre des Ritters verletzen würde, der sich anschließend an ihrer Familie würde rächen müssen, sondern auch die Ehre ihrer Familie beschmutzen würde. Verzweifelt suchte die junge Frau nach einem Ausweg, doch noch während sie angestrengt überlegte, sah sie die Türe in das Schloss fallen und hörte die Falle zuschnappen. Flehend wandte sie ihre Augen von dem grinsenden Ritter ab, und suchte über ihren Vater, dessen harter Blick keinen Widerspruch dulden würde, ihren Meister, der ihren verzweifelten Blick entschlossen erwiderte.

„Herr Tendo“, brach der junge Zauberer das Schweigen, das sich nach der Ankündigung des Mannes gebildet hatte, ohne den Blick von seinem Lehrling zu nehmen, „ich bin heute Abend mit derselben Absicht zu Ihnen gekommen, und ich denke, Sie werden, wenn sie meine Urkunden durchkämmen, sehen, dass auch ich adliger Herkunft bin und deutlich mehr Ländereien besitze als dieser junge Ritter.“



Puh, neues Kapitel, alte Geschichte: keine Kommentare :(
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