Schattennacht
annehme, dass wir unsere Streitigkeit innerhalb eines Monats beigelegt haben werden, kann ich dir versichern, dass Akane mit ihrer Ausbildung weit genug fortgeschritten sein wird, um sie selbst weiterzuführen.“
„Ich werde sie in einem Monat hier abholen“, antwortete der Ritter mit einem angedeuteten Nicken, zügelte sein Pferd und gab ihm schließlich die Sporen, um schnell wie der Wind in den stärker werdenden Schneefall zu reiten.
Schweigend schweiften seine azurblauen Augen über den schneebedeckten Boden, dessen makellose Reinheit von einer Schneise unterschiedlicher Schuhabdrucke befleckt wurde, und sogen sehnsüchtig die friedliche Stille des sterbenden Jahres ein, die lediglich von den heiteren Rufen der im Schnee spielenden Kinder unterbrochen wurde, während der junge Mann lange Zeit der in der Ferne verblassenden Silhouette des Ritters nachdenklich nachblickte. Er liebte das glockenhelle Gelächter der Jugend, das ihn so sehr an seine unschuldige Kindheit erinnerte, doch wusste er, dass er sich an einem ausgestorbenen Ort befand, auf dem ihn die Schatten seiner Vergangenheit zu quälen gedachten.
Schwer seufzend schloss er seine Augen und fühlte einen Teil der erdrückenden Last, die auf seiner schwarzen Seele saß, seinen Körper verlassen, als er dem letzten Widerhall seines Geräusches, das die frische Winterbrise bis an die fernen Gestaden unbekannter Regionen tragen würde, folgte. Langsam öffnete er seine Augen, um seinen in der winterlichen Kälte sichtbaren Atem mit seinen Fingerspitzen zu fangen, ehe er in das unendliche Nichts entschwand, und bemerkte, dass der Schneefall nicht weniger werden wollte.
Während er aus seinen Augenwinkeln sah, wie die unterschiedlichsten Schneeflocken zu einem Teil des Ganzen wurden, als sie sich mit ihren auf dem Boden gefrorenen Ahnen vereinten, beobachtete er interessiert, wie sich eine einzelne sternförmige Schneeflocke auf seinem erhobenen Handrücken ansiedelte und sich, durch seine Körperwärme katalysiert, in einen Tropfen kalten Wassers umwandelte, und bemerkte erst, dass sich ihm jemand genähert hatte, als er eine warme Hand in seiner eigenen Hand spürte, die sie zärtlich drückte, um ihm ihre Dankbarkeit auszudrücken.
„Mehr Zeit konnte ich dir nicht verschaffen“, flüsterte er in die Stille des Dorfes hinein, in Gedanken noch immer in den Worten des Ritters gefangen, bevor er sich aus dem Gefängnis entriss und sich kopfschüttelnd zu seinem Lehrling umdrehte. „Es tut mir Leid, aber ich habe alles getan, was ich tun konnte.“
„Dankeschön“, hauchte sie in sein Ohr, sodass ihr warmer Atem seinen Nacken kitzelte und ihn erröten ließ, bevor sie sich auf ihre Zehenspitzen stellte, ihre Lippen für einen kurzen Augenblick, einem Kusse gleich, gegen seine Wange drückte, um ihre Dankbarkeit auszudrücken, und sofort danach, ohne ein weiteres Wort, in das Haus zurückkehrte, in dessen Türe sie auf ihren Meister wartete.
„Nein, Akane, ich glaube, ich sollte jetzt lieber gehen“, meinte er entschuldigend, als er die einladende Handbewegung der jungen Frau vernahm, und doch hatte die zärtliche Berührung ihrer Lippen jenes altbekannte Gefühl des Verlangens in ihm erweckt, jenes unersättliche Verlangen nach dem Krieg der Liebe, dessen Trommeln den Rhythmus seines pochenden Herzens und seine nächsten Bewegungen diktierten, sollte er jetzt in das Haus eintreten. „Ich muss einige Dinge vorbereiten, und etliches nachschlagen.“
„Komm und sieh!“, bat sie ihn eindringlich, ihre Hand nach ihm ausstreckend, blickte ihm in die Augen, und erschrak, als sie in jenen blauen Augen, die ihr gegenüber bis zu diesem Moment nichts als Sanftheit und Zuneigung gezeigt hatten, die Schatten eines animalischen Rots zu erkennen glaubte, die die Wildheit eines unzähmbaren Tieres in ihnen erkennen ließen, die jedoch sogleich wieder verschwanden, sodass sie glaubte, sich diese Erscheinung eingebildet zu haben. „Wir, wir haben das Essen bereits vorbereitet! Komm doch wenigstens herein, bis der Schneefall nachgelassen hat!“
„Nein, Akane!“, antwortete er ruhig, seine Gedanken und Gefühle bändigend, indem er sich die kalte Hand, in der er noch immer den Pfeil hielt, auf seinen Nacken legte, und die Augen schloss. „Der Schneefall wird heute nicht mehr abnehmen, sondern noch stärker werden, und ich muss dringend nach Hause. Bitte packe, was auch immer du mitnehmen willst, und ein paar Scheiben Brot von eurem Tisch, damit wir etwas zu Essen haben, denn ich habe keine Zeit, meine Bestände nachzukaufen. Frage nicht nach, sondern tu, was ich dir sage!“
Akane wagte nicht, seine eindringlichen gesprochenen, von einem zweiten, noch lauterem Donnergrollen unterlegten Worte in Frage zu stellen, da sie ihn in all der Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, noch nie so agitiert gesehen hatte, da er noch nie eine solche Kraft ausgestrahlt hatte wie nun, da er noch nie nervös oder gar ängstlich gewirkt hatte, sondern eilte so schnell sie ihre Füße trugen in das Haus, bat ihre große Schwester, ihr Abendessen einzupacken, und wickelte schnell die beiden Kleider, die sie von ihm geschenkt bekommen hatte, in eine wollene Decke, die sie unter dem Mantel versteckte, den sie sich hastig umlegte, bevor sie die Essensration dankend aus der Hand ihrer Schwester griff und sich von ihrer Familie mit dem Versprechen, sie so bald wie möglich zu besuchen, verabschiedete.
Ängstlich näherte sich die junge Frau dem schwarzhaarigen Mann, die Tränen ob ihres Schicksals in Vergessenheit geratend, und stellte sich neben ihn, der den Fall des Schnees nachdenklich betrachtete, bevor er sich seinem Lehrling zuwandte, und sie mit tiefer Traurigkeit anblickte. Schließlich bedeutete er ihr schweigend mit einer Handbewegung, ihm zu folgen, sodass das so ungleiche Paar nebeneinander in den Wald lief, ihre Schuhe tiefe Schneisen in den schneebedeckten Boden ziehend, bis sie den trockenen, gefrorenen Waldboden erreichten, auf den nur wenige Schneeflocken trafen, da die dicht beieinander liegenden Baumkronen ein stabiles Dach für die Bewohner des Waldes boten.
„Du musst keine Angst haben, mir Fragen zu stellen“, meinte der junge Mann, nachdem sie schweigend den Wald betreten hatten, und drehte sich das erste Mal zu seinem Lehrling um, seitdem sie das Dorf hinter sich gelassen hatten. „Ich weiß, dass dir tausende Fragen auf dem Herzen brennen, und ich werde sie dir gerne beantworten, sofern ich es vermag.“
„Danke, Ranma, aber eigentlich habe ich nur eine Frage“, antwortete die junge Frau zitternd, da sie der Mantel nur bedingt vor der eisigen Kälte schützte, und war im Begriff, zu fragen, was hier vor sich ging, warum er so nervös war, als sich ihr Meister wieder dem schmalen Pfad, der ihm den Weg zu seiner Hütte offenbarte, zuwandte, und sie etwas erblickte, das jeden anderen unschuldigen Gedanken in den seelenlosen Tiefen des Meeres in einem flammenlosen Feuer verbrannte; langsam griff sie nach seinen Haaren, zog ein einzelnes, hüftlanges, kastanienrotes Haar aus seinem rabenschwarzen Haar, hielt es zwischen Daumen und Zeigefinger hoch, und betrachtete es eindringlich, während sich ihr Meister zu ihr umdrehte, da er die Berührung ihrer Finger gespürt hatte. „Was ist das?“
Schweigend erblickte der junge Mann das rote Haar in der Hand seines Lehrlings und erschauderte ob des Feuers in jenen wunderschönen braunen Augen, das ihm unmissverständlich all das aufzeigte, das er nicht gesehen hatte und nicht hatte sehen wollen, all jene Erinnerungen, ihr verlegenes Lächeln, als er ihr den Mantel dargeboten hatte, ihre geröteten Wangen, während sie sich unterhalten hatten, ihre Entschlossenheit, die Aufgabe zu bewältigen, der Kuss, ihre seltsam ausschlagende Aura, die er mit Neugier verwechselt hatte, ihre Bitte, bei ihr zu Abend zu essen, ihre Tränen: sie hatte sich in ihn verliebt. Langsam, doch mit unkontrolliert wild schlagendem Herzen ballte er seine Hände in Fäuste und schloss seine Augen, bevor er ihr zu antworten gedachte; doch seine Worte sollten niemals ausgesprochen werden, da sie ihm zuvorkam.
„Du musst mir nicht antworten“, flüsterte sie, doch mit jedem Wort wurde ihre Stimme lauter, da mit jedem Wort ihre Liebe, einer prachtvollen, blutroten Rose gleich, die wunderschön in ihrem Herzen erblühte und gen Himmel wuchs, doch deren Dornen ihr auf dem Weg Stich um Stich versetzten, bis sie sich wünschte, dass die Rose verwelken möge, damit sie den Schmerz nicht mehr fühlen würde, zu ihm wuchs und ihr unerträgliche Schmerzen bereitete. „Ich habe sie gesehen, als ich bei dir übernachtet habe; sie ist wunderschön, nicht wahr? Ist sie deine Frau? Oder deine Geliebte oder vielleicht nur eine Gespielin?“
Sie wusste, dass sie alle Grenzen der Höflichkeit überschritt, sie wusste, dass sie ihre Ausbildung gefährdete, sie wusste, dass sie ihn möglicherweise für immer verlieren würde, doch sie wusste auch, dass sie ihre Lehre nicht fortsetzen würde können, wenn er nicht verstand, wie sie fühlte, was für einen unvergleichbares Feuer in ihr brannte, das ihren Hass auf jene wunderschöne Unbekannte schürte, sodass sie nicht imstande war, einen vernünftigen Gedanken zu fassen, der sie davon abhielt, ihn zu beschuldigen, beleidigen, und verletzen, bis er ihr die Wahrheit sagte, die sie nicht hören wollte und auf die sie ebenso wenig Recht hatte wie der Mond, den Platz der Sonne am Firmament während des Tages einzunehmen.
„Sie ist nichts von alldem“, antwortete er ihr. „Ich verspreche dir, ich werde dir erklären, was es damit auf sich hat, wenn die Zeit gekommen ist; jetzt müssen wir aber nach Hause, bitte vertraue mir!“
„Nein, Ranma“, sagte Akane ruhig, während Tränen in ihren Augen aufwellten und sie das rote Haar auf den Boden warf, und richtete ihren Blick auf die weit entfernten Baumkronen. „Ich vertraue dir mehr als du dir vorstellen