Schattennacht
kannst, ich würde für dich über glühende Kohlen laufen, wenn du mir versichertest, dass ich mich nicht verletzen könnte, ich würde von den höchsten Bergen springen, wenn du mir versichertest, dass ich fliegen könnte, ich würde alles für dich tun, aber ich kann nicht mit dir nach Hause kommen, wenn du nicht verstehst, wenn du nicht weißt, was ich empfinde. Ich liebe dich!“
Verzweifelt vergrub der junge Mann sein Gesicht in seinen Händen, als sie die Worte aussprach, die er mehr fürchtete als alles andere, jene drei Worte, die ihm mehr Schmerz bereiten würden als er ertragen hatte, als er seine eigenen Gefühle für die junge Frau in seinem Herzen verschlossen gehalten hatte. Er wusste, dass er sie davon abhalten hätte müssen, die Worte auszusprechen, doch sein ihn betrügendes Herz hatte ihm verwehrt, seinen Mund zu öffnen, hatte sie wider besseren Wissens jene Worte aussprechen lassen, die er hatte hören wollen, und er wusste, dass er ihr mit jeder verstrichenen Sekunde unerträgliche Qualen bereitete.
Langsam, den Schmerz zelebrierend, zerbrach jene atemberaubende Rose ihr gläsernes Herz mit ihren Dornen, breitete sich in ihrem Körper aus, bis sie den Schmerz, den ihr die Dornen zufügten, in jeder Pore ihres Wesens fühlen konnte, als sie wartete, von dem schwarzhaarigen Mann angenommen zu werden, dem sie sich darbot. Als er seinen Kopf jedoch in seinen Händen vergrub, spürte sie, wie eine eisige Kälte Einzug in ihren Körper gewann, die ihre Hände verbrannte, und sie hoffen ließ, hier, inmitten des befremdlichen, doch freundlichen Waldes zu erfrieren, dass ihr die Schmach der Abweisung erspart bleiben möge, mit der sie ihr Leben mit dem jungen Ritter über würde leben müssen. Sie wollte nach Hause, sie wollte nichts mehr fühlen, sie wollte sich ihren Tränen hingeben, als sie plötzlich den warmen Atem einer Person an ihrem Ohr spürte, und die geflüsterten Worte vernahm, die sie so sehr zu hören geträumt, aber niemals zu denken gewagt hatte.
„Ich liebe dich auch, Akane“, flüsterte er in ihr Ohr. „Ich habe mich in dem Moment in dich verliebt, als du mein Haus betreten hast, denn ich habe noch nie zuvor eine vergleichbare Entschlossenheit, eine vergleichbare Kraft, und eine vergleichbare Schönheit gesehen wie an diesem Tag. Aber ich konnte, ich durfte es dir nicht sagen, weil ich weiß, dass es nicht gut gehen kann; ich weiß, dass wir zusammen niemals glücklich werden können.“
Als Ranma die letzten, glückbringenden Worte in das Ohr der jungen Frau gehaucht hatte, legte sich eine unnatürliche Stille über den Wald: keine Brise des Windes wehte mehr, keine Flocke des Schnees fiel mehr vom Himmel, kein Geräusch des Waldes war mehr zu hören. Ängstlich blickte sie in die suchenden Augen des jungen Mannes, der ihre Hand in seine nahm, und sie eindringlich mit sich zog, während er seinen Blick durch den Wald wandern ließ.
„Sag nichts, bis wir Zuhause sind“, mahnte er sie und marschierte schnellen Schrittes auf dem schmalen Pfad durch den Wald bis zum zugefrorenen See, an der seine kleine Holzhütte stand, dessen Türe er hastig aufriss, und die junge Frau hineinbugsierte, die, wie von ihm gefordert, keinen Ton gesagt hatte, während er sie durch den Wald geführt hatte.
„Was ist hier los?“, fragte sie vorsichtig, nachdem der Zauberer ihr mit einem Kopfnicken bedeutet hatte, dass sie wieder sprechen durfte, und beobachtete mit vor Überraschung geweiteten Augen, wie er die Türe schloss und das Feuer im Kamin mit einem Schnippen seiner Finger entzündete. „Wie hast du das gemacht?“
„Gleich, Akane, gleich“, versicherte er ihr nervös, ging zu den Regalen, und suchte hastig nach einem Buch. „Kannst du mir helfen? Kannst du bitte in den Schlafraum gehen und nach einem Buch suchen? Sein Einband ist ledern und reich verziert und es ist verschlossen.“
Zögernd verließ Akane den Wohnraum der kleinen Hütte, als sie sah, wie er sich schnell durch die Bücher wühlte, und betrat den Schlafraum, auf dessen Regalen an der Wand zahllose lederne Bücher aufgereiht standen. Während sie die Einbände der Bücher auf der Suche nach einem reich verzierten, verschlossenen Buch entlangfuhr, wurde ihr bewusst, dass er ihr seine Liebe gestanden hatte, und sie, obwohl sie glücklich war, glücklich sein musste, kein Glück in ihrem Herzen fühlte, dass sie nichts fühlte. Die junge Frau erstarrte ob ihrer Erkenntnis, ihre Hände sanken herab und rissen dabei ein schweres Buch aus der Reihe herunter, das mit einem lauten Geräusch auf dem Boden aufschlug, sich aber nicht öffnete, da es verschlossen war.
Achtlos warf der schwarzhaarige Mann auf der Suche nach einem einzigen, speziellen Einband zahllose Bücher über seinen Rücken, hoffend, dass er das Buch nicht würde finden können, als er ein dumpfes Geräusch vernahm, einem auf den Boden gefallenen Gegenstand gleich, und hastete über die am Boden liegenden Bücher in den Schlafraum, um zu sehen, was geschehen war, doch konnte nichts außergewöhnliches erkennen, nur seinen jungen Lehrling, der vor dem Bücherregal stand, ihr leerer Blick auf das schwere Buch zu ihren Füßen gerichtet, auf einen ledernen, reich verzierten Einband, der fest verschlossen war, und die junge Frau, die nun zu ihm blickte, in seinen Bann zog.
„Was geschieht hier, Ranma?“, fragte die junge Frau tonlos. „Warum kann ich nichts fühlen, kein Glück, keine Freude? Ranma? Ranma? Was passiert hier?“
„Gleich, Akane“, vertröstete er die junge Frau. „Mit wie vielen Schlössern ist das Buch verschlossen?“
„Ranma, was passiert hier?“, fragte sie erneut, da er ihr keine Antwort gegeben hatte.
„Antworte mir!“, herrschte er sie an.
„Drei.“
Noch während Akane die Silbe in ihrem Mund formte, legte sich ein zweites Mal an diesem Tag eine unnatürliche Stille über Meister und Lehrling, bis nach wenigen Momenten des Schweigens die Türe zur Hütte mit einem lauten Donnergrollen von einer starken Windböe aufgestoßen wurde. Langsam gingen die beiden jungen Erwachsenen zurück in den Wohnraum und beobachteten gebannt die verwirrende Erscheinung: als ob sich die Zeit außerhalb ihres Hauses verlangsamt hätte, sahen sie, wie der unverhältnismäßig starke Wind ein einzelnes Blatt wie in Zeitlupe an der offnen Türe vorbei blies.
Schließlich erkannte die junge Frau in den Schatten der nahen Bäume eine Figur, die so vollkommen in der Finsternis seiner Umgebung verschlungen war, dass sie selbst ein Schatten zu sein schien. Als hätte jene Person den Blick des Lehrlings gespürt, brach sie in ebenjenem Moment, in dem Akane sie betrachtete, aus den Schatten hervor, und trat langsam auf die Hütte zu. Ruhig näherte sich der Greis, dessen schwarze Schuhe über den Boden zu gleiten schienen, den beiden Personen im Haus, sein Blick auf den Boden gerichtet, seine Schritte gestützt durch einen hölzernen Gehstock, der von einem ebengleichen, durchdringenden Schwarz war wie sein rabenschwarzer Mantel, der nur den Kragen seines weißen Hemdes erahnen ließ und einen perfekten Übergang zu seiner schwarzen Hose bot. An seiner Hand blitzte ein silberner Ring auf, der zu seinem silbergrauen Haar passte.
„Hallo, Ranma“, flüsterte er, als er die beiden Erwachsenen erreicht hatte, und bot ihm seine Hand zum Gruße dar.