Schattennacht

jungen Zauberers, als ihn bittere Tränen der Verzweiflung zu übermannen drohten, doch er schloss tapfer seine azurblauen Augen, griff nach der ihm Kraft spendenden Hand der schwarzhaarigen Frau und atmete tief durch, bis er sein schmerzhaft pochendes Herz beruhigt hatte. Langsam löste sich Ranma aus der Umarmung und starrte nachdenklich auf die Decke seines Hauses.

„Es tut mir Leid, Akane“, murmelte er schließlich und drehte sich zu seinem Lehrling um. „Es tut mir Leid, dass ich dich in meinen Krieg hineingezogen habe. Und dabei wollte ich dich doch nur beschützen.“

„Ranma, wovon redest du?“, fragte Akane verwirrt und wollte seine Hand nehmen, doch der junge Mann zog sie rasch fort und wich einen Schritt vor ihr zurück, sodass ihr verletztes Herz einen schmerzhaften Sprung machte. „Was ist los? Wer war dieser Mann? Was geschieht hier?“

„Nein, Akane, es ist, ich kann nicht, du sollst nicht, es wäre einfacher, wenn du nicht“, begann der junge Mann, doch sollte niemals erklären können, was er meinte, denn in jenem Moment, als die Worte seinen Mund verließen, schlug die flache Handfläche seines Lehrlings seine rechte Wange mit solcher Wildheit, dass sein Kopf zur Seite gerissen wurde, ein lautes Geräusch von aufeinandertreffender Haut das Toben des Sturmes übertönte, und seine Wange vor Schmerz brannte, doch all das erstaunte den Zauberer weniger als das knisternde Feuer, das in den hasselnussbraunen Augen der Frau gefährlich züngelte.

„Du sagst mir, ich soll auf dich warten, und doch muss ich dich holen?“, flüsterte sie, während sie wütend versuchte, ihre diamantenen Tränen, die in ihre Augen traten, hinfort zu blinzeln, und zwang ihn mit sanfter Gewalt, sich auf einem der beiden Stühle niederzulassen. „Du sagst mir, du liebst mich, und doch weichst du vor mir zurück? Du versprichst mir, du beantwortest all meine Fragen, und doch weichst du ihnen aus, bevor ich sie dir überhaupt stellen kann? Nein, Ranma! Du wirst mir jetzt erklären, was hier vor sich geht; wer war dieser Mann?“

Langsam ließ sich der junge Zauberer in seinen Stuhl bugsieren und lauschte den Worten seines Lehrlings, unter deren Last er zu erdrücken drohte, sodass seiner zugeschnürten Kehle kein Laut entwich, bis die sich unaufhaltsam zwischen den beiden Erwachsenen ausbreitende Stille einen schwarzen Schatten über ihre Seelen ausgeworfen hatte, aus dem er niemals würde treten können, solange er seine eigene schwarze Seele nicht von jener drückenden Last der Lügen befreit hatte, die sein Wesen zerfraß. Lange Zeit blickte er in ihre wunderschönen Augen, in deren Tiefe er sich schon so oft verloren hatte, bevor er schließlich leise seufzte und seine Geschichte zu erzählen begann.

„Was ich dir jetzt erzähle, wird aberwitzig klingen; du wirst es mir nicht glauben, und du wirst mich für verrückt erklären, aber ich habe dir versprochen, alles zu offenbaren, und das werde ich tun“, begann er tonlos und wandte seinen Blick auf den hölzernen Fußboden. „Dieser Mann, wie du ihn nennst, ist einer meiner drei Brüder, er ist der Tod.“

„Der Tod?“, wiederholte die junge Frau ungläubig und versuchte, die für sie irrsinnige Antwort des jungen Mannes zu hinterfragen, doch wagte nicht, auch nur ein Wort zu äußern, als sie den warnenden Blick ihres Meisters vernahm.

„Hast du ihn nicht gefühlt?“, flüsterte er eindringlich, während sie sich verwirrt auf den gegenüberliegenden Stuhl niederließ. „Kannst du dich nicht an die gähnende Leere erinnern, die er mit jedem seiner Schritte verbreitet? Kannst du dich nicht daran erinnern, geglaubt zu haben, dass du gestorben wärst, da du nichts mehr fühlen konntest? Du hast ihn gefühlt, Akane, und glaubst meinen Worten nicht?“

„Nein, das ist unmöglich“, hauchte sie, als ihre glasigen Augen etwas in der Ferne ihrer Erinnerungen erblickten, das ihr Meister nicht sehen konnte, und versuchte verzweifelt, die Leere, die die allumfassende Präsenz des Fremden in ihr aufgebracht hatte, zu verdrängen, während ihr die ganze Tragweite seiner Worte bewusst wurde. „Aber wenn das wahr ist, wer bist du dann?“

„Hast du dich nie gefragt, warum mich die Bewohner des Dorfes so sehr hassen, warum ich stets Streitereien mit mir bringe?“, fragte er sie humorlos. „Meine Brüder, Tod, Hunger, und Eroberung, reiten neben mir, während ich mein Schwert schwinge und das Land mit Krieg überziehe.“




Ich wurde höflich aufgrund der Thematik meiner Geschichten gefragt, ob ich denn ein christlicher/religiöser Fanatiker oder einfach nur geistig verwirrt sei; die Antwort auf diese durchaus charmanten Fragen lässt sich an dieser Stelle sehr einfach gestalten: Nein, ich habe keine fanatische Veranlagung, nur weil ich eine „Trilogie“ verfasse, in dessen erstem Teil, „Schattennacht“, die christliche Religion eine überwiegende Rolle spielt, im zweiten Teil, „Der Pfad des Vergessens“, die griechische Mythologie, und im dritten Teil, „Der Fluss der Zeit“, die nordische Mythologie. Ich habe lediglich Spaß daran, neue Thematiken zu beschreiten, und schreibe einfach gerne Geschichten, die sich von Stil wie Thematik von den sich immer wiederholenden Standartgeschichten, die jeder Mensch ohne Mühe verfassen kann, abheben – die geistige Verwirrtheit würde ich an dieser Stelle aber nicht zwingend negieren. Ich stelle mich gerne auch solchen Fragen, aber ich bitte, die Tonart sachlich zu gestalten, da ich mir sicher bin, dass eine ähnliche Frage außerhalb der Anonymität des Internets nicht gleichsam aggressiv gestellt werden würde; falls überhaupt, heißt das.
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