Schattennacht
zu bekommen suchte, um dort dunkle Schatten zu werfen, wie sie an den Wänden seines Steinhauses im flackernden Licht des Feuers tanzten, die sich von seinem Hass nährten; doch nicht seine eiserne Selbstkontrolle verbannte die Bitterkeit aus seinem Herzen, sondern das Bild, das er vor seinem inneren Auge sah, als er seine Augen schloss, um seine Konzentration zu festigen: das schüchterne Lächeln der jungen Frau, deren Wangen im Feuerlicht so rötlich schimmerten wie ihre rubinroten Lippen.
Wie ein phantastisches Biest aus seinem tausendjährigen Schlaf, erwachte ein verwirrendes, ihm unbekanntes Gefühl der Zuneigung und des Vertrauens in seiner Brust, und suchte ihn in seinen Träumen heim, die allesamt das seidenweiße Gesicht einer verlegenen, jungen Frau annahmen, bis er inmitten der Nacht schweißgebadet und ruckartig aus seinem Schlaf erwachte, das Bettlaken fest umschlungen haltend, und sich sehnlich den Morgen herbeiwünschte, um dem Reich der Träume für kurze Zeit entgehen zu können, bevor er sich seinem Wunsch und seiner Furcht stellen musste.
„Warum habe ich sie nur gehen lassen?“, murmelte er verschlafen in die Dunkelheit seines Hauses hinein, ohne eine Antwort auf seine Frage zu erwarten, doch aus den Tiefen seines Seins drang Woge um Woge der Erkenntnis, nach der er nie hatte suchen müssen, da sie sich bereits in ihm befunden hatte, wie die hoch aufschlagenden, schäumenden Wellen eines unruhigen Meeres, das ein fern von den sicheren Ufern wütender Sturm aufgewirbelt hatte, der jedoch auch das Ufer nicht unberührt lassen würde. „Weil sie nicht wegen mir hier gewesen ist.“
Spät am nächsten Tag erwachte der junge Mann aus seinen unruhigen Träumen und versuchte, sich mit den üblichen Aufgaben des Tages von ihren Bedeutungen abzulenken, doch spielte er stets mit dem Gedanken, im Dorf seine Vorräte aufzustocken, ein Gedanke, der ihn wieder zum Nachdenken brachte. Als sich die Wogen seines Herzens schließlich geglättet hatten und er das Mittagessen vorbereitete, spürte er mit Entsetzen ein mächtiges Feuer, das durch seinen Wald schritt, dort aber kein einziges Blatt verbrannte; erst nach wenigen Momenten erkannte er, dass das Feuer nichts als die Projektion seines Herzens auf die junge Frau war, die sich auf dem Weg zu ihm befand, und obgleich es vor Aufregung jubelte, zwang sich der schwarzhaarige Mann, bei der Feuerstelle zu warten.
„Komm herein“, bat er freundlich und ließ die Türe mit einem Schlenker seines rechten Handgelenks aufgehen, als die junge Frau ihre Hand traurig und erschöpft zu einem Klopfen erhoben hatte. „Was führt dich wieder hierher?“
Ohne über die Öffnung der Türe erstaunt zu sein und ohne zu zögern, übertrat die junge Frau die Türschwelle des Hauses des Zauberers, nahm den wärmenden, grauen Reiseumhang, den sie von ihm geliehen hatte, von ihren schwachen Schultern, die nun nur noch von einem schmutzigen, braunen Hemd bedeckt waren, das ihr bis zu den Knien reichte und ihren von Löchern durchfressenen, ebengleich braunen Rock zu Teilen verbarg, legte ihn über den am knisternden Feuer stehenden Stuhl und blickte ihn mit ihren hasselnussbraunen Augen traurig an. Dann, einem unsichtbaren Zeichen folgend, brach mit einem Mal der Damm in ihrem Herzen, der das Wasser des Acheron gespeichert hatte, und ließ ihre Worte aus ihrem Mund sprudeln.
„Die ganze Nacht habe ich versucht, die Bewohner des Dorfes davon zu überzeugen, dass du ein guter Mensch bist“, erzählte sie aufgeregt, während Ranma sich still dem Eintopf widmete, der über dem offenen Feuer zu kochen begann. „Ich habe ihnen erzählt, was du für mich getan hast, aber sie wollten mir nicht zuhören! Ich habe an jede Türe geklopft, doch niemand wollte mir Gehör schenken! Sie meinten, ich wäre von dir verzaubert worden und meine Familie ist so weit gegangen, mich wieder hierhin zu schicken, um dich zu bitten, den Zauber von mir zu nehmen! Sie wollen mich einfach nicht verstehen! Sag, hörst du eigentlich zu?“
„Natürlich, Akane“, lächelte er ihr gequält zu, doch schwieg weiter, bis er einen Teil des dampfenden Eintopfes in zwei weiße Schüsseln gefüllt hatte, die er schließlich auf den kleinen Tisch der Küche stellte, bevor er zwei Löffel neben die Schüsseln legte, und der jungen Frau bedeutete, zu ihm zu kommen. „Danke, Akane. Ich weiß es zu schätzen, dass du dich für mich eingesetzt hast, aber ich habe dir bereits gesagt, dass es keinen Nutzen hat. Der Glaube der Dorfbewohner ist stärker als dein Wort. Aber du bist nicht nur gekommen, um mir das zu berichten, nicht wahr? Warum erzählst du mir nicht, warum du noch hier bist, während wir essen?“
„Essen?“, fragte Akane neugierig, als sie die Küche betreten hatte und ihr der würzige Geruch des Eintopfes entgegenschlug.
„Ja, essen“, wiederholte der schwarzhaarige Mann lächelnd und deutete auf einen der beiden Stühle, während er selbst auf dem gegenüberliegenden Stuhl Platz nahm. „Ich glaube, eine gute Speise würde dir gut tun; du hast selbst gesagt, die Ernte war schlecht und wenn ich mich Recht erinnere, müssen deine Eltern noch zwei weitere Kinder ernähren.“
Die junge Frau nickte dankbar und wartete geduldig, wie es der Brauch verlangte, bis der Gastgeber den ersten Bissen seines Eintopfes probiert hatte, um sicherzugehen, dass er keine giftigen wilden Kräuter enthielt, bevor sie sich die herzhafte Mahlzeit schmecken ließ. Schweigend, ihren eigenen Gedanken nachhängend, aßen die beiden jungen Erwachsenen ihre Speisen, und setzten das unterbrochene Gespräch erst nach einem Nachschlag, den Akane höflich ablehnte, während ihr Magen hungrig knurrte, sodass Ranma lauthals zu lachen begann.
„So, warum bist du nun wirklich hier?“, fragte er mit verschränkten Armen, nachdem sie die Mahlzeit beendet hatten und er das Geschirr neben dem Feuerplatz abgelegt hatte, auf dem der restliche Eintopf nun langsam abkühlte. „Sicherlich wolltest du mir nicht nur erzählen, dass mir die Menschen im Dorf keinen Glauben schenken.“
„Nein“, schüttelte die junge Frau ihren hübschen Kopf. „Ich wollte dir deinen Umhang zurückbringen und mich dafür bedanken, dass du ihn mir geliehen hast.“
„Und?“, hakte der junge Mann beharrlich nach, während Akane den Kopf verlegen senkte.
„Und“, hauchte sie nervös, unsicher, ob sie mit ihrer nächsten Frage nicht zu weit ging. „Und ich wollte fragen, ob, nun ja, du hast gemeint, dass du kein Zauberer bist, aber wie hast du dann die Türe aufgemacht oder gewusst, dass ich komme oder mir diese Frage im Wald gestellt? Wie kannst du das machen, wenn du kein Zauberer bist?“
„Hm, eine schwierige Frage. Bist du sicher, dass du eine Antwort möchtest?“, fragte der schwarzhaarige Mann nachdenklich, während er tief ausatmete und seinen konzentrierten Blick auf die zögerlich nickende, doch schweigende, junge Frau legte, ohne sie wirklich anzusehen. „Nun gut, wie soll ich deine Frage beantworten? Jedes Lebewesen, egal ob Mensch, Tier oder Pflanze, hat eine Aura, die es umgibt. Die meisten Menschen sind sich dieser Aura nicht bewusst, obwohl sie diese mit dem richtigen Training für ihre Zwecke benutzen können. Hm, ich weiß wirklich nicht, wie ich dir das erklären soll, aber vielleicht kannst du deine Aura mit deiner Seele vergleichen oder mit deinem Geist, der mit dir zusammenarbeitet, der dir zeigt, wenn jemand lügt, der Gegenstände bewegen kann, die außerhalb deiner Reichweite liegen, der sogar mit Tieren kommunizieren kann, wenn du nur weißt, wie. Das, was ihr von mir seht, ist keine Zauberei, es ist meine Aura, aber die Dorfbewohner verstehen das nicht, also halten sie mich für einen Zauberer! Ich könnte beispielsweiße dir beibringen, deine Aura zu benutzen, und sie würden es nicht verstehen, sondern behaupten, ich hätte dich verzaubert!“
„Du, du könntest mir beibringen, meine, meine Aura zu benutzen, dass ich so werde, so wie du?“, fragte Akane nach einer kurzen Pause erschrocken.
„Natürlich!“, meinte der Jungspund stolz. „Ich könnte jedem der Dorfbewohner beibringen, seine Aura zu verwenden, aber sie würden es nicht wollen. Deshalb lebe ich auch hier und nicht im Dorf.“
„Aber, ich meine, wenn du könntest, würdest du, ich meine, du musst nicht, aber könntest du mir beibringen, wie man seine Aura verwendet?“, fragte sie vorsichtig.
„Wenn du das möchtest“, murmelte der junge Mann nachdenklich, während er sie eindringlich betrachtete.