Schattennacht
Rot und Blau
Langsam ließ die schwarzhaarige Frau ihren nackten Körper in das vom knisternden Feuer erhitzte Wasser in der Metallwanne gleiten, das einen süßen, genüsslichen Geruch einer exotischen Pflanze, derer ähnlichen sie noch nicht wahrgenommen hatte, in der durch das Feuer vieler Kerzen erleuchteten Küche verbreitete, und seufzte herzergreifend, als sich ihre braunen Augen, die zum ersten Mal in ihrem jungen Leben nicht von unergründlicher Tiefe geprägt voll Sorgen sprachen, erschöpft schlossen, während das angenehm warme Wasser ihre Muskeln entspannte und sie in den heilenden Schlaf zu wiegen drohte. Leise durchdrang ihr Seufzen die dicken Wände des fremden Hauses, verband sich mit dem heiseren Heulen des eisigen Nachtwindes, der ihre innersten Gedanken bis hin an die fernen Gestaden unbekannter Kontinente tragen sollte und der Welt ihre unbeschreibliche Freude mitteilte, als Lehrling bei einem jungen Mann aufgenommen worden zu sein, dem sie ihr volles Vertrauen schenken konnte.
Nachdem die junge Frau wenige Minuten in der sanften Wärme des Wassers geruht hatte, griff sie vorsichtig nach der am Wannenrand liegenden Seife und versuchte, so wenig wie ihr irgend möglich von ihr zu verschwenden, als sie ihren von der harten Arbeit verschwitzten, verdreckten Körper reinigte, wie er ihr es aufgetragen hatte. Bevor sie schließlich die harte Wasseroberfläche durchbrach und dem verführerischen Gefühl der Schwerelosigkeit, das ihre Sorglosigkeit bedingte, entkam, tauchte Akane ein letztes Mal mit ihrem von schulterlangem schwarzem Haar verdeckten Gesicht in die wohltuende Wärme ein, und spürte intensiv wie nie zuvor die Rinnsaale des Wassers an ihrer nackten Haut strömen, als sie den kalten Boden mit ihren Füßen berührte.
Lächelnd nahm sie das frische Handtuch in ihre sanften Hände und sog mit ihm die Wassertropfen auf ihrer Haut ein, bevor sie sich schüchtern vor den bereitgestellten Spiegel stellte, ihre dürren Züge betrachtend, und sich das geborgte Kleid anzog. Mit geneigtem Kopf blickte sie ihr Spiegelbild verwundert an, das ihr neckisch zuzulächeln schien, als es sein Gegenstück in jenem strahlend weißen Kleid fragend anblickte, das sich, als ob es für sie angefertigt war, an ihre schmalen Hüften schmiegte und doch noch genügend Freiraum ließ, ihre Figur betonte, obgleich sie keine hatte, ihr eine Welt aufzeigte, die sein konnte, aber nicht war. Verwirrt schüttelte sie ihren hübschen Kopf, zog an den rüschenbesetzten Trägern, bis sie sicher war, dass das Kleid nicht von ihren Schultern rutschen würde und ging, ohne einen Blick zurück zu werfen, elegant aus der Küche in den Wohnraum, während ihr Spiegelbild stumm auf seinem Platz verharrte, ihr ein selbstgefälliges Grinsen schenkend.
„Ein Bad und frische Kleidung lassen die Welt gleich besser aussehen, nicht?“, murmelte der junge Mann geistesabwesend, da er vernommen hatte, dass sie den Raum betreten hatte, und blieb für wenige Sekunden neben der Wand am Feuerplatz gelehnt, um das Schriftstück, in das er versunken war, weiter zu studieren, bevor er es schließlich resignierend in seiner Faust zerknüllte und den begierig wartenden Flammen als Abendmahl darbot, das sie sogleich freudig verspeisten.
Endlich blickte der Zauberer von seiner Arbeit auf und erstarrte inmitten des hellen Lichtes der lodernden Flammen, als ihre im Halbschatten vom flackernden Kerzenlicht unregelmäßig akzentuierte, schlafende Schönheit, die nach einem Mahl und einem Bad nun nicht mehr jene unvergleichbare Wildheit, sondern den tosenden Glanz eines sich in den Fluten des Sees spiegelnden Sternenmeeres trug, seine Blicke gefangen hielt. Atemlos sog er die seidenweiße Haut ihrer unbedeckten Beine, die sich ohne Übergang an das unschuldige Weiß des Kleides schmiegte, ein, ihre durch die neue Kleidung betonte, vielversprechende Figur, ihren schüchternen, beinahe ängstlichen, auf den Boden gerichteten Blick, ihre wunderschönen, blauschwarzen Haare, bevor er sich aus seiner Erstarrung löste und sich für seine Blicke schalt.
„Das Kleid ist wunderschön, aber ich weiß nicht, ob ich es tragen sollte“, hauchte die junge Frau schüchtern in die drückende Stille des Hauses und drehte sich voll verspielter Eleganz um ihre eigene Achse, sodass der flache Rock spielerisch mit der Abendluft tanzte. „Siehst du? Das Kleid ist für eine wunderschöne, reiche Frau hergestellt worden, nicht für mich. Es passt nicht zu mir.“
In jenen Sekunden, in denen sich die junge Frau um sich selbst drehte, brach ein silbrigweißer Strahl des Lichtes des Vollmondes, der seinen seit jeher herrschenden Sitz hoch oben am Firmament während ihres Bades eingenommen hatte, durch die lose Wolkendecke, deren graues Erscheinungsbild die Melancholie der späten Stunde erweckte, fiel in das gläserne Fenster des Schlafraumes, und zog den ehrfürchtigen Blick des Mannes, dessen Augenbrauen sich nachdenklich zusammenzogen, auf die vom Mondlicht geformte, weiße Schneise auf der sich kräuselnden, pechschwarzen Seeoberfläche, die ihr einen sanften Weg, auf dem sie sich langsam tanzend von ihm hinfort zu bewegen schien, in das Dunkel der Nacht darbot.
„Es passt zu dir“, flüsterte der Zauberer sanft, als er ihren fragenden Blick wahrnahm, schüttelte unmerklich seinen Kopf, um sich von jener dunklen Zukunftsbotschaft zu trennen, und begegnete ihrem unschuldigen Lächeln mit einem bejahenden Augenzwinkern. „Du siehst gut darin aus.“
Während die junge Frau verlegen das Zimmer gänzlich betrat und sich gespannt auf ihren Stuhl am Feuer niederließ, gab sie für einen Moment den Blick auf die Küche und den Spiegel frei, aus dem dem schwarzhaarigen Mann für einen kurzen Augenblick das in eine rote Abendgarderobe gekleidete Spiegelbild seines Lehrlings neckisch zuzugrinsen schien, bevor es sich mit seinem Spiegelbild endgültig aus dem Spiegel verabschiedete, um als Schatten die Wände zu zieren. Wenige Sekunden verdunkelten sich die Augen des jungen Mannes, bis ihn eine zarte, zögerliche Stimme aus dem düsteren Dickicht seiner Gedanken riss und das wärmende Feuer spüren ließ.
„Was soll ich machen?“
„Geh nach Hause“, antwortete er ihrer Frage amüsiert und brachte die zu einem lautstarken Protest ansetzende Frau mit einem charmanten Lächeln und einem erhobenen Finger zum Schweigen. „Ich nehme an, deine Familie weiß nicht, was du gerade machst, obwohl sie ein berechtigtes Interesse an deiner selbsterwählten Ausbildung haben dürfte, nicht wahr? Schließlich kommt es nicht oft vor, dass eine durchaus heiratsfähige, junge Frau bei einem ‚Zauberer’ in die Lehre geht, und es ist bestimmt nicht schicklich, wenn sie gleich in der ersten Nacht nicht nach Hause zurückkehrt, nicht?“
„Nun ja“, stimmte sie ihm zu, während sie intensiv in das knisternde Feuer und die verkohlenden Überreste der Papierrolle starrte, um im Licht der Flammen ihre roten Wangen zu verbergen, als sie die scheinbare Implikation seiner Worte zu erkennen glaubte, und versuchte halbherzig, das unregelmäßig schnelle Pochen ihres verwirrten Herzens zu bändigen, während ein ungewolltes Lächeln ihre rubinroten Lippen schmückte, als sie sich selbst als Braut vorstellte.
„Aber du möchtest natürlich erfahren, was dich hier erwarten wird, falls du dich entscheidest, diesen Weg zu wählen“, sprach der junge Mann den unvollendeten Satz der ihm verlegen zunickenden Frau aus. „Du wirst jeden Tag drei Stunden nach Sonnenaufgang zu mir kommen, denn dies wird dir genug Zeit geben, jedwede anfallenden häuslichen Arbeiten zu erledigen, um deine Familie trotz deiner Ausbildung zu unterstützen; außerdem wirst du jeden Abend nach dem Abendessen zu deiner Familie zurückkehren, denn ich habe nicht genug Platz in meinem Heim, um dich hier nächtigen zu lassen, und muss selbst meine Arbeit ungestört wahrnehmen. In der kurzen Zwischenzeit werde ich dir all jene Dinge beizubringen suchen, nach denen sich die Menschen in der dunkelsten aller Nächte in ihren Träumen sehnen, all jene Wünsche, die jedoch stets verschlossen und verheimlicht bleiben, all jene Schätze, die das Leben bereichern, ohne selbst zu sein.“
Während sie den Worten des jungen Mannes gespannt lauschte, glaubte Akane, das schwächliche Glimmen eines uralten, längst erloschenen Feuers in seinen azurblauen Augen zu erkennen, dessen vereinzelte Funken die leere Feuerstelle in ihrem Herzen unbemerkt erklommen, sich jedoch nicht entzündeten, sodass der schwarzhaarigen Frau ein warmer, wohliger Schauer durch den Körper fuhr und ein unverständliches, unbekanntes Gefühl der Wärme in ihr verbreitete. So intensiv fühlte sie diese neue Zuneigung, so intensiv hielt sie seine blauen Augen mit ihren braunen Augen gefangen, dass sie erst bemerkte, dass er ihr denselben blauen Mantel zum Wärmen darbot, den sie bereits am Abend zuvor von ihm erhalten hatte, als er ihr elegant seine wärmende Hand als Hilfe beim Aufstehen bot, die sie lächelnd annahm.
„Komme morgen drei Stunden nach Sonnenaufgang zu mir, falls du dich dazu entscheiden solltest und dich mit deiner Familie hast einigen können, diese Ausbildung zu machen“, meinte er betont gleichgültig, während er der verdutzten Frau den Mantel über die Schultern legte und sie zur Türe begleitete. „Kommst du morgen nicht, kenne ich deine Antwort auch, du musst sie mir also nicht persönlich überbringen.“
„Aber“, warf die junge Frau zögerlich ein, als er ihr die Türe öffnete, um sie bis zur Waldgrenze zu begleiten, „ich weiß nicht, ob wir das Geld aufbringen können, um die Ausbildung oder andere anfallenden Kosten zu bezahlen.“
„Wovon redest du?“, fragte der Zauberer in das von den gräulichen Wolken leicht bedeckte Sternenmeer hinein, der an seiner Seite verweilenden Frau sein strahlendstes Lächeln offenbarend. „Du hast dein Lehrgeld doch schon tausendfach bezahlt. Eine gute Nacht