Schattennacht
wünsche ich dir."
Mit diesen mysteriösen Worten verabschiedete der junge Mann seine Begleiterin am Rande des düsteren Waldes, der ihr, in einer kalten Brise des Nachtwindes ein ermunterndes Rascheln seiner zahlreichen Äste schenkend, sein freundlichstes Gesicht zeigte, bevor Ranma sich mit der Dunkelheit der Nacht verband und in ihr vor ihren Augen verschwand. Freudig lächelnd und doch nachdenklich wanderte Akane mit festem Schritt durch denselben Wald, der sich, seit sie ihn das erste Mal betreten hatte, so erheblich verändert hatte, dass sie nicht glauben konnte, denselben Pfad zu beschreiten, der sie wieder in ihr geliebtes, sicheres, aber seltsam unvertrautes Heim geleiten sollte, und wunderte sich über die Ereignisse des letzten Tages, die sie nicht gänzlich zu begreifen schien, sodass sie ihre Füße unbemerkt bis vor ihre Haustüre trugen, bevor sie aus ihren Gedanken schreckte. Zögerlich erhob sie ihre Hand, klopfte ob der späten Stunde sachte an der Türe und öffnete sie.
„Akane, mein Schatz, bist du das?“, drang ihr die Stimme ihres Vaters aus der absoluten Dunkelheit des kleinen Raumes entgegen, der ihr einen unnatürlichen Schauer über den Rücken laufen ließ, sodass sie schnell zu dem beinahe vollständig abgenutzten Wachstummel einer Kerze griff und diese hastig anzündete, bis sie genug Licht in die Dunkelheit zauberte, dass sie ihre zwei Schwestern und ihren Vater am Tisch des Wohnraumes sitzen sehen konnte. „Wer bist du? Was willst du hier?“
„Ich bin es, Vater, deine Tochter Akane!“, rief die junge Frau verletzt und verwirrt aus, bevor sie begriff, dass das Kerzenlicht zwar ihren frisch gewaschenen Körper, der in ein neues, wunderschönes, weißes Kleid gehüllt war, das ihre Familie nicht erkennen konnte, aber nicht ihre erleichtert lächelnden Züge erhellte, sodass sie die Kerze ein wenig höher hob, bis sie das erstaunte Keuchen ihrer Schwestern vernahm. „Was macht ihr alle denn so spät noch hier am Tisch? Ihr habt doch nicht etwa auf mich gewartet?“
„Doch, Akane, wir haben auf dich gewartet“, antwortete ihre große Schwester mit einem berechnenden und neidischen Blick auf das weiße Kleid, das ihre kleine Schwester so stolz trug. „Und ich denke, wir müssen gar nicht fragen, wie es gelaufen ist, denn von wo sonst als von diesem grauenhaften Zauberer solltest du dieses Kleid bekommen haben? Du stehst also noch immer unter seinem Zauber.“
„Er ist nicht grauenhaft, Nabiki!“, verteidigte die junge Frau ihren Meister gereizt und warf ihrer Schwester einen dunklen Blick zu. „Und ich stehe auch unter keinem Zauber! Wie oft soll ich euch das noch erklären? Ich versuche euch doch nur zu zeigen, dass er eine ganz normale Person ist!“
„Aber wenn du nicht unter einem Zauber stehst, warum hast du dann dieses wunderschöne Kleid von ihm bekommen, Akane?“, fragte nun auch die älteste Schwester der schwarzhaarigen Frau sanft. „Er hat es dir sicherlich nicht nur geschenkt, weil du nett zu ihm warst.“
„Nein, er hat mir das Kleid nicht gegeben, weil ich nett zu ihm war; es gibt eine Abmachung zwischen Ranma und mir, Vater“, flüsterte Akane ängstlich, setzte die Kerze vor dem skeptisch blickenden Ältesten der Familie ab, und nahm seine rechte Hand wärmend in ihre beiden Hände. „Ich habe dich noch nie um etwas gebeten, Vater, aber heute flehe ich dich an, diese Abmachung zu genehmigen. Es ist, dieses Kleid, er hat es mir gegeben, nachdem ich ihn gebeten habe, mich als Lehrling aufzunehmen, dass jeder weiß, dass ich zu ihm gehöre. Vater, bitte lasse mich diesen Weg gehen!“
Für einige wenige Sekunden nach den Worten der jungen Frau, breitete sich eine unnatürliche Stille unaufhaltsam in der kleinen Hütte aus, bis sie eine undurchbrechbare gläserne Barriere zwischen der Rednerin und den Schweigenden ausgebildet hatte, die mit den letzten Tönen der flehenden Frau immer schneller schwang und schließlich in tausend gläserne Stücke zerbarst, als ihr Vater das Wort ergriff, und somit das Verbindungstor zweier unterschiedlicher Welten durchbrach, die für immer und einen Tag getrennt waren.
„Du weißt, wir können uns die Ausbildung nicht leisten, vor allem nicht bei einem Zauberer, dem wir zu ewigem Dank verpflichtet sind“, merkte der ältere Mann vorsichtig an, während seine beiden größten Töchter ihn schweigend, aber gespannt anstarrten. „Wie willst du die Ausbildung also bezahlen?“
„Ich will kein Geld von mir“, antwortete ihm seine jüngste Tochter atemlos. „Er ist einsam und wird gemieden; er wünscht sich nichts mehr als Gesellschaft, glaube ich, und ich kann ihn verstehen. Ich hätte ihm auch Gesellschaft geleistet, wenn er mich als Lehrling abgelehnt hätte, denn er ist ein wirklich freundlicher, liebenswürdiger Mann, egal ob Zauberer oder nicht.“
„Nun gut, aber du wirst uns hier fehlen; wer soll deine Pflichten in der Hausarbeit übernehmen, wenn du nicht da bist? Wir kommen doch bereits mit dir kaum über die Runden“, argumentierte der schwarzhaarige Mann müde und sichtlich angeschlagen, seiner Tochter den Wunschtraum zu verwehren. „Wir brauchen dich hier, Akane.“
„Ich weiß“, antwortete die junge Frau mit einem bezaubernden Lächeln, das selbst Berge aus reinem Eis der nördlichsten Regionen ihrer Heimat erwärmen hätte können, und kniete sich vor ihren Vater, seine rechte Hand noch immer in ihren warmen Händen vergraben, nieder. „Ich verspreche dir, ich werde keinen Tag vor der dritten Stunde nach Sonnenaufgang zu ihm gehen und jeden Abend zu euch zurückkehren, sodass ich meine Pflichten erfüllen und euch helfen kann. Außerdem könnt ihr meine Essensrationen unter euch aufteilen, denn Ranma besteht darauf, dass ich mit ihm zu Abend und zu Mittag esse. Es wird euch also nur mehr helfen als schaden, dass ich eine Lehre bei ihm beginne, Vater.“
„Ich weiß dennoch nicht“, sagte der alte Mann skeptisch, doch seine Tochter spürte deutlich, wie ihn nicht nur ihre Argumentation, sondern auch ihr strahlendes Lächeln und ihre freudestrahlenden Augen erweichten und drückte mit flatterndem Herzen seine Hand, ihm versichernd, dass ihr nichts passieren würde, dass sie diesem Mann mit vollem Herzen vertraute, dass sie sich nichts mehr wünschte als sein Lehrling zu sein, und bewegte ihn somit, obgleich seine Angst vor den scheinbar übernatürlichen Fähigkeiten des Einsiedlers nicht besiegt waren, zu einem resignierenden Nicken. „Erzähle bitte noch niemanden, was du tust, bis ich die Dorfbewohner von deiner Entscheidung unterrichtet habe; und nun gehe ins Bett, schließlich musst du morgen früh aufstehen, um deine Arbeiten zu erledigen, bevor du zu deiner Ausbildung gehst.“
Mit einem erleichterten Seufzen, einem Abschiedskuss auf die Wange ihres Vaters und einem hastigen Wunsch nach einer geruhsamen Nacht verabschiedete sich die junge Frau von ihren verwirrt schweigenden Schwestern und ihrem resignierend lächelnden Vater, bevor sie lächelnd in den Nebenraum verschwand, der ihren Schwestern und ihr als Schlafkammer diente, schloss die leichte Holztüre, lehnte sich gegen sie und presste ihre flache Hand fest gegen ihre Brust, um ihr vor Aufregung wild schlagendes Herz zu beruhigen, das mit jedem Gedanken an den jungen Zauberer jedoch trotz ihrer Bemühungen ein wenig schneller schlug und so ihren Lippen ein zufriedenes Lächeln aufzwang. Glücklich schloss sie ihre Augen und beschloss nach kurzer Zeit, als das Pochen ihres Herzens langsam nachzulassen schien, sich schlafen zu legen, während ihre älteste Schwester ihrem Vater die Frage stellte, die auch ihn verfolgte.
„Bist du sicher, dass du das Richtige getan hast?“, fragte Kasumi besorgt, nachdem die drei Familienmitglieder einige Minuten schweigend über die seltsame Entwicklung der Ereignisse nachgedacht hatten.
„Ich weiß es nicht, Kasumi, ich weiß es nicht“, antwortete er ihr erschöpft, während er sich am Tisch abstützend aufstand. „Ich weiß nur, dass ich meinen kleinen Schatz seit dem Tod eurer Mutter nicht mehr so glücklich gesehen habe. Sie wäre diesem Weg auch gefolgt, wenn ich es ihr verboten hätte, denke ich, denn sie ist eurer Mutter sehr ähnlich und ihr wisst, wie sie war. Gute Nacht, meine Lieben.“
Mit diesem Worten blies der Hausherr das Feuer des Wachstummels aus und verließ den Wohnraum in die Küche, in der sich sein Bett befand, während er seine beiden Töchter am dunklen Tisch zurück ließ. Unbeweglich starrte die älteste Frau der Familie auf die ausgeblasene Kerze, deren flackernde Flamme in ihre Augen eingebrannt war und noch in der plötzlichen Dunkelheit deutlich für sie zu erkennen war, und seufzte traurig, als sie den Blick ihrer kleinen Schwester auf sich spürte und ihre nicht gestellte Frage mit tiefer Traurigkeit in ihrer Stimme beantwortete.
„Ich weiß es auch nicht, Nabiki“, flüsterte sie. „Ich fürchte aber, dass er sie schrecklich verletzen wird, denn sie steht noch immer unter seinem Zauber, dem stärksten Zauber der Welt, dem Zauber der Liebe.“
Als Akane am nächsten Tag erwachte, vernahm die junge Frau das wunderschöne Orchester der Nacht, dessen Solist ihr liebstes Stück fehlerfrei mit solcher Leidenschaft vortrug, dass sie vor Aufregung nicht mehr einschlafen konnte, bis wenige Momente später die aufgehende Sonne ihrem ewigen Gegenspieler Respekt zollte und mit ihren Tieren der Symphonie der Stille einen tosenden Beifall bot, der bald die anderen Bewohnern der Hütte aufweckte. Hastig zog sich die schwarzhaarige Frau an und widmete sich mit Feuereifer ihren Aufgaben, die sie so schnell erledigt hatte, dass sie wenig später zu ihrem Meister aufbrechen konnte, der mit sie mit einem freudigen Lächeln in seiner Hütte erwartete.
„Du bist früher hier als ich erwartete habe“, merkte er an und bot ihr einen Platz am Tisch an, nachdem er die Schriftrollen, die auf ihm ausgebreitet waren,