Komplementärfarben

erschrocken, „das mache ich schon selber.“ Das hatte ihr gerade noch gefehlt, dass er in ihrer Unterwäsche wühlte. Schnell stopfte sie alles, was sie auf einmal greifen konnte, in ihren Koffer und klemmte ihn unter ihren Arm.
Ein Lachen konnte Jake sich bei ihrem Anblick nicht verkneifen. Jills Wangen nahmen eine rötliche Färbung an. „Naja, ich werde wieder bei meiner Tante und meinem Onkel wohnen“, erklärte sie um von ihrer Verlegenheit abzulenken.
„Wow…“, sagte Jake leise und lächelte. „Dann sind wir wieder Nachbarn.“
„Stimmt“, stammelte Jill.
„Warum hast du dich nie gemeldet?“
Ihre großen dunklen Augen weit aufgerissen starrte sie ihn an. Jills Mund war leicht geöffnet, doch brachte sie keinen Ton heraus, ihr Mund fühlte sich trocken an und ihre Hände begannen zu zittern, sodass sie Mühe hatte, den Koffer nicht fallen zu lassen.
Sie konnte nicht antworten. Sie wollte nicht antworten. Sie wollte weg.
Hastig wandte sie sich ab, und hastete stolpernd zurück ins Haus.

Jake starrte auf die zufallende Tür. Noch eine Weile blieb er stehen ohne seinen Blick abzuwenden.
Wütend trat er gegen einen kleinen Stein, der auf dem Gehweg lag. Seine Hände schob er tief in seine Hosentaschen und setzte seinen Heimweg fort.
Genervt hob Jake sein Handy ans Ohr, als es erneut schrillend klingelte. „Was willst du?“, fragte er wütend. „Jake, wieso hast du einfach aufgelegt?“, ertönte Kates Stimme.
„Hör zu, ich kann jetzt nicht“, meinte er mürrisch, „ wir sehen uns doch am Montag.“ Und dann legte er auch schon auf.
Krachend flog das Gartentor hinter ihm zu. Vor der Haustür angekommen, kramte er nach seinem Schlüssel, als er kurz aufschaute fiel sein Blick auf die riesige Rotbuche, deren Laub im nächtlichen Sommerwind rauschte.
Schnell verschwand sein Schlüssel wieder in der Tasche.

Jake rannte quer über die Wiese, zur anderen Seite des großen Gartens. Mit aufgebrachtem Gemüt und pochendem Herzen stand er unter dem Baum.
Er stand an der Stelle, an der er Jill vor acht Jahren verabschiedet hatte. Bis eben hatte er noch geglaubt es wäre ein Abschied für immer gewesen. Ewig hatte er auf einen Anruf, einen Brief, einfach irgendein Lebenszeichen gewartet- vergeblich. Jill hatte sich nie gemeldet.
Jake hatte versucht zu vergessen. Er war erst zehn gewesen, doch sie hatte ihm viel bedeutet- seine beste Freundin war sie gewesen und dass er ihr anscheinend nicht so wichtig gewesen war, hatte ihn sehr verletzt.
Jake hatte versucht zu vergessen. Das mit dem Verdrängen war ihm in den letzten Jahren recht gut gelungen. Und nun, als Jill nur noch ein schwacher Schatten in seinen Erinnerungen war, tauchte sie einfach wieder auf.
Er griff nach der Strickleiter, die an dem breiten Baumstamm herabbaumelte. Früher waren Bretter an den Baum genagelt gewesen, die sie als Leiter benutzt hatten. Seitdem seine siebenjährige Schwester in dem alten Baumhaus spielte, hatte Jake gemeinsam mit seinem Vater ein paar alte Bretter ausgebessert und eine neue und stabile Strickleiter angebracht.
Behände kletterte er hinauf.
Wie lang war er nicht mehr hier oben gewesen? Auf dem Boden taste er nach einer kleinen Taschenlampe und knipste sie an. Erinnerungen aus seiner Kindheit huschten vor seinem inneren Auge vorbei, als er sich umsah. Die meisten Dinge hier oben gehörten seiner Schwester, doch dann entdeckte er ein ausgeblichenes Foto, dass mit einer Reißzwecke, an die Wand des Baumhauses geheftet war.
Jake riss es ab.

[i]Kadmiumgrün –Ende-[i]
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