Mephisto

Mephisto

PROLOG


Gehetzt betrat der Kontrollinspektor den Besprechungsraum. Der gestrige Abend hatte sich wie üblich in die Länge gezogen, weswegen sein Schlaf eher bescheiden ausgefallen war. Er war zuerst wie üblich in den großen Hörsaal einmarschiert, da er dort mehrere Polizeianwärter erwartete, doch dort hielt nur einer seiner Kollegen eine Ansprache zum Thema Rassismus. Wenn der Kontrollinspektor sich jedoch dessen Zuhörermenge ansah, konnten diese gut seine Jungs gewesen sein. Die Gruppe der zukünftigen Anwärter war in den letzten Monaten erstaunlich geschrumpft, besonders nach der kommissionellen Dienstprüfung war nur noch gut ein Dutzend der Jungs übrig geblieben. Jedoch würden noch mehr auf ihn warten. Der Kontrollinspektor entschuldigte sich für die Störung und erinnerte sich erst dann an seinen gemieteten Raum. Er seufzte und stieg die Treppe zum vierten Stock hoch. Er marschierte den Gang entlang auf eine weiße Doppeltür hin, auf der das Schild ‚Besprechung’ klaffte. Der Beamte riss die Tür auf und wollte eine Entschuldigung herauskrächzen. Die Blicke, die ihn daraufhin trafen, ließen jedoch kein einziges Wort zu. Schräg gegenüber saß eine Gruppe uniformierter Personen, die warten zwar gewohnt waren, doch scheinbar nicht in solcher Situation. Mindestens zwei trampelten mit ihren Füßen auf den Paketboden, ein anderer schlug immer wieder seine Daumen beisammen. Natürlich gab es auch welche, die ganz ruhig waren. Diese wussten entweder, dass sie den Test mit Bravour bestanden hatten… oder eben nicht. Der Kontrollinspektor murmelte ein Morgen heraus und begab sich dann an einen breiten Tisch, von dem aus er Überblick auf alle Absolventen hatte.

„Meine Damen und Herren. Ich weiß heute ist für Sie der Tag der Tage. Die Stunde der Stunde. Die Minute… nunja, ich weiß, dass Sie alle unter Druck stehen. Ich habe die Prüfungen ausgewertet und kann Ihnen sagen, dass Dreizehn von Ihnen positiv abgeschnitten haben.“

Leises flüstern und Getuschel wurde hörbar. Es waren 19 Personen im Raum anwesend. Minus dem Kontrollinspektor würden 5 die Polizeischule, die so genannte SIAK verlassen müssen. Das war für manche schwerer als für anderer. Ein Jahr durften sie ihre Stühle wärmen und dem Kontrollinspektor und dessen Kollegen zuhören. Das zweimonatige Praktikum war schon angenehmer. Zu diesem Zeitpunkt verließen einige die Schule. Der siebenmonatige Hauptteil war für viele eine Freude, aber dass sie danach noch abgelehnt werden konnten war für viele ein Schock. Einige redeten sich gut zu und glaubten so eine Prüfung locker bestehen zu können. Der Kontrollinspektor packte seinen Koffer auf den Tisch und ließ die Scharniere knacksen. Er holte mehrere Dokumente heraus und starrte seine Schüler durch seine dickrandige Brille an. Scheinbar zierte er sich. Er hatte bereits viele Absolventen und jedes Mal bedauerte er, dass es einige nicht schafften. Für diese gab es sicher anderer Alternativen, aber so kurz vor dem Ziel zu scheitern war für niemanden leicht.

„Ich mache es kurz und schmerzlos, keine Sorge. Ich lese jetzt alle Dreizehn Namen vor. Diese werden dann den Rang eines Inspektors erhalten und der Verwendungsgruppe E2b zugeteilt.“

Noch bevor er den ersten Namen nannte schwenkte sein Blick in die Richtung eines jungen Anwärters. Dieser hatte sowohl Hände, als auch Füße verschränkt und wirkte sehr aufmerksam. Keine Spur von Zweifel, dass er es vielleicht versiebt haben konnte. Alles an diesem Anwärter stimmte. Die Ärmel hatten dieselbe Länge, die Uniform hatte keine Knicke, das Abzeichen saß gerade. Der Name des Anwärters lautete Christian Hartmann. Der Kontrollinspektor sah gerade ihn an, da er der einzige mit einer vollen Punktzahl war. Das hatte er bis jetzt nur einmal erlebt. Bei seinem Vorgesetzen. Hartmanns Kameraden entging der Blick nicht, aber er überraschte sie auch wenig. Bereits als der erste Fuß des Kontrollinspektor durch die Türe war, war klar: Hartmann hatte es geschafft. Es war unklar wieviele Punkte er haben würde, aber er wäre der beste der Abschlussklasse gewesen. Neben Hartmann saß sein inzwischen bester Freund Sebastian Fleischer, der ihm mit der linken Hand auf die Schulter klopfte. Sebastian hätte sich gewünscht die Gelassenheit seines Freundes gehabt zu haben. Er war sehr nervös. Chris wollte ihm ein paar beruhigende Worte zuflüstern, doch das erledigte sich. Der Kontrollinspektor hatte ohne jegliche Vorwarnung begonnen die Namen vorzulesen.

„Sebastian Fleischer“, war gleich der erste in der spärlichen Liste gewesen.

„Ich verzichte hier darauf die Ergebnisse mitzuteilen, soviel sei gesagt.“, hängte er noch dran. Sebastian hob die Hände in die Höhe und stieß einen stummen Siegesschrei aus. Am liebsten wäre er seinem Kumpel nun in die Arme gefallen, aber das wäre wohl etwas zuviel des Guten gewesen.

„Karl Henning.“, las der Kontrollinspektor weiter. Ein weiterer guter Freund von Sebastian und Chris, der nun ein Handschlagritual mit Sebastian abhielt. 10 weitere Namen folgten. 8 Männer und zwei Frauen. Als nur noch ein Name auf der Liste stand wurden alle panisch. Sie bissen sich auf die Lippen und hatten Angst wegen ihrem lauten Herzschlag den Namen nicht richtig zu verstehen. Alle Blicke waren auf Chris gerichtet. Es konnte nur er sein. Aber Hoffnung starb zuletzt. Und in diesem Fall starb sie langsam und qualvoll.

„Christian Hartmann.“, sagte der Kontrollinspektor und packte seine Liste wieder ein.

„Herr Hartmann, Sie haben als bester abgeschnitten, ich hoffe, Sie würdigen das.“, meinte er. Dass er erwähnt hatte, die Ergebnisse außen vor zu lassen, interessierte nun niemanden mehr. Einige schrieen wütend, wofür sie den Scheiß überhaupt mitgemacht hätten, wenn sie nun im Regen standen. Die Vernünftigen verließen Schulter hängend den Raum. Der Kontrollinspektor wurde arg beschimpft, bevor auch noch der letzte gescheiterte Anwärter ging. Sebastian gönnte sich nun endlich die Umarmung mit seinem Freund, in der sich Karl ebenfalls einklinkte. Nach dem Trubel räusperte sich der Kontrollinspektor und nahm seinen Koffer.

„Wenn Sie hier fertig sind, melden Sie sich bitte in Raum 08-A.“, erwiderte er noch, bevor er zur Tür schritt. Chris erreichte ihn noch rechtzeitig und reichte ihm die Hand.

„Vielen Dank.“, erlaubte er sich als einziger. Der Kontrollinspektor schüttelte den Kopf und wehrte ab.

„Nein, mein Junge, Sie haben alles selbst geschafft.“, sagte er und verschwand dann durch die Doppeltür. Chris wurde kurz darauf ebenfalls hinausgedrängt. Hinter ihm ein Siegeszug aus zukünftigen Polizisten. Sebastian und Karl stoppten erst am nächsten Kaffeeautomaten. Sebastian griff in seine Hosentasche, sah dann aber zu Chris. Dieser schmunzelte und holte seine Geldbörse hervor.

„Du hast es verdient.“, zeigte er sich gnädig. Chris öffnete die Geldtasche und Karl gelang ein flüchtiger Blick auf ein Bild. „Deine Kleine?“, grinste er. Sebastian streckte seinen Kopf dazwischen, wehrte aber ab.

„Leider nur seine Schwester.“, schien er das Bild bereits zu kennen. „Nette Schwester!“, hob Karl die Augenbrauen.

„Und du wirst sie nie kennen lernen.“, fügte Chris lächelnd hinzu. Hinter einem blonden Mädchen, das nur wenig jünger als er selbst war, standen auch zwei ältere Personen, die eindeutig Chris Eltern darstellten.

„Bald kannst du dir neue Bilder reinstecken. Blonde, Schwarze, Brünette…. Ach Gott, als Polizist kriegst du sicher mehr ab als sonst.“, meinte Sebastian, immer noch in Extase. Chris wehrte sanft ab.

„Du hast ja Ansichten. Würde mich nicht wundern, wenn du nur deswegen Polizist werden wolltest.“ Sebastian schüttelte den Kopf. „Dann wäre es mir kaum gelungen diese hässliche Prüfung zu bestehen. Der Alte hat zwar nichts gesagt, aber ich habe es sicher nur knapp geschafft. Bin ja kein Chris Hartmann.“, entgegnete er. Chris schüttelte den Kopf.

„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel.“, erwiderte er. Sebastian schüttelte den Kopf. „Nene, du wirst uns noch alle überflügeln. Chefinspektor, Dienststellenleiter, Polizeipräsident…“, schwärmte er Chris vor.

Dieser weigerte sich soweit voraus zu denken. „Mal was anderes.“, versuchte Karl das Thema zu wechseln.

„Wo gehen wir eigentlich feiern?“, wollte er wissen. Sebastian lachte.

„Alles schon geregelt. Ich habe bereits den Club ausgesucht.“, antwortete er. Karl grinste. Sebastian hatte nichtmal gewusst, ob er dabei war. Naja so hatte er zumindest ein gutes Karma.

„Ich kann nicht.“, mischte sich Chris ein. Böse blicke folgten. „Weißt du eigentlich, was wir im letzten Jahr durchgemacht haben?“, meinte Sebastian ihn erinnern zu müssen. Chris nickte schnell.

„Schon aber meine Familie wusste natürlich im Vorfeld, dass ich bestehen würde und hat auch das dementsprechende Essen vorbereitet.“, erklärte er sich. Sebastian wiegte mit dem Kopf. „Kein Problem. Auf der Partie werden wir sowieso nichts futtern. Nur saufern und strippende Mädels anstarrten.“, verriet er.

„Sagt der zukünftige Polizist.“, hängte Karl dran.

„Komm einfach später nach, die Partie geht ohnehin meistens erst später los.“, schlug Sebastian vor. Chris war einverstanden und kam erst dann dazu Sebastian die 50 Cent zuzuschieben. Er vertagte sich auf später und fuhr mit seinem Wagen direkt zum Haus seiner Eltern. Er war bereits ausgezogen, nur seine Eltern und seine Schwester lebten noch dort. Chris stellte den Motor ab und warf einen Blick ins Innere. Merkwürdig. Sowohl das Wohnzimmer, als auch die Küche lagen in Dunkelheit. Seine Familie hatte angekündigt für ihn zu kochen, sowas konnten sie also nicht vergessen. Die einzig logische Erklärung war demnach ein Stromausfall. Chris marschierte in die Einfahrt und verengte seine Augen. Die Haustür stand weit offen. Gut, seine
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