Mephisto
Mehrere Hilfeschreie folgten, auf die der Unbekannte nichts erwiderte. Die Breitseite des Messers strich über Ackermanns Kinn, der steif sitzen blieb. Er sah selbst ein, dass eine Bewegung unratsam gewesen wäre. Nun begann der Unbekannte Ackermanns Hemd aufzutrennen. Er zog ihm den Fetzen aus und warf ihn weg. Ackermann begann zu schwitzen und flehte den Entführer an, doch Vernünftig zu sein. Dieser strich wieder mit der Breitseite des Messers über Ackermanns Wangen. Erst über die linke, dann die rechte. Dann stand er auf. Ohne etwas zu sagen steckte er sein Messer wieder ein und verließ den Keller mit demselben Tempo, wie er gekommen war. Ackermann war nicht wirklich erleichtert. Sollte das bedeuten, dieser Psychopath wollte ihn nicht umbringen? Wollte er wirklich Lösegeld? Ackermann betete dafür. Und wurde enttäuscht. Ackermann verlor an Kraft und schlief schließlich ein. Er wurde wieder von der schweren Tür geweckt. Er versuchte sich zu orientieren und hätte heulen können, als er sich wieder an alles erinnerte. Vor ihm stand wieder der Entführer. An seinem Äußeren hatte sich nichts geändert. Noch immer trug er die schaurige Maske, die sein Gesicht verdeckte. Ackermann hätte nur der Figur her sagen können, dass es sich um einen Menschen handelte. Dieser vollzog sein Ritual wie zuvor. Er kniete sich hin und zog das Messer. Wieder strich er über Ackermanns Kinn. Wieder begann er zu schneiden.
„Ahhh.“, konnte Ackermann einen gewaltigen Aufschrei nicht unterdrücken. Ohne Vorwarnung – nicht, dass der Psychopath, eine hätte abgeben müssen – drang die Spitze der Klinge in die Haut des Geschäftsmannes ein. Kurz oberhalb der rechten Brustwarze.
„Bitte! Also gut, ich habe Geld!“, änderte er schlagartig seine Meinung.
„Aber nicht im Land, es kann also etwas dauern!“, sprudelte es aus Ackermann heraus. Der Unbekannte zog die Klinge schräg nach oben und Ackermann bis die Zähne zusammen. Seine Hände schnüren sich noch mehr zusammen, blieben jedoch festgebunden. Nun vollzog der Maskierte einen schnellen Schnitt nach unten. Blut floss aus und rann zu Boden. Da hatte der Maskierte etwas aus seiner Hosentasche geholt. Ein Glas in dem sich etwas Weißes befand. Er öffnete den Deckel und ließ den Inhalt über Ackermanns Oberkörper rasseln. Es war Salz. Ackermann schrie weiter und versuchte aus der realen Welt zu flüchten. Der Maskierte rieb mit seinem Handschuh sein Werk zu Recht. Das Salz hatte die Blutung verlangsamst, was ihm nun ermöglichte weiter zu machen. Wieder kam das Messer zum Einsatz. Zwei gezackte Bögen wurden in die linke Hälfte von Ackermanns Oberkörper geritzt. Und wieder kam kurz darauf das Salz zum Einsatz. Ackermann schlug immer wieder seinen Kopf gegen die Kellerwand, in der Hoffnung endlich das Bewusstsein zu verlieren. Als er auf seinen Körper sah, erstarrte er. Dreizehn. Es war tatsächlich eine Dreizehn. Der Psychopath hatte tatsächlich die Zahl Dreizehn in seinen Brustkorb geritzt. Ackermann wusste nun, dass er es mit einem Verrückten zu tun hatte und ihn dieser nicht laufen lassen würde. Ackermann einzige Hoffnung war die Polizei. Aber wusste diese überhaupt wo er war? Besaß sie bereits eine Spur? Oder ahnten sie noch nichtmal etwas von seinem Verschwinden?
„Willst du leben? Oder willst du sterben?“, drang nun die heisere Stimme des Verrückten hervor. Durch die Maske wirkte sie dumpf, aber nicht weniger bedrohlich. Ackermann kannte die Stimme nicht.
„Bitte lass mich leben!“, bellte er ihn beinahe an. Er glaubte ein kurzes Nicken seitens des Mannes zu sehen. Dieser steckte sein Messer wieder ein und begann zu gehen.
„Oh Gott!“, stieß Ackermann aus. Kurz bevor er verschwand, drehte sich der Maskierte um. „Nein.“, warf er ihm zu. „Mephisto.“, schien er ihn korrigieren zu wollen. Ackermann starrte ihn gedankenlos an. Am nächsten Tag kam ‚Mephisto’ wieder. Diesmal schnitt er beide Arme Ackermanns der Länge nach auf. Nur so tief, dass er keine wichtigen Adern verletzte. Am Ende fragte er Ackermann wieder.
„Willst du leben? Oder willst du sterben?“
Ackermann sah ihn erschütternd an.
„Hören Sie doch bitte auf!“, jammerte er. Der Maskierte wiederholte seine Frage.
„Ich will leben verdammt nochmal!“, brüllte ihn Ackermann mit letzter Kraft an. Der Maskierte nickte und verließ den Raum. Am dritten Tag kehrte er zurück. Diesmal begann er langsam Ackermanns Fingerkuppeln abzutrennen. Zuerst an der linken, dann an der rechten Hand. Ackermann jammerte und flehte. Als seine Hand bald nichts weiter als ein blutiges etwas war, hielt der Maskierte Ackermanns Kopf mit seiner schwarzen Hand fest. Seine stechenden Augen sahen direkt in die von Ackermann. Wieder stellte er die Frage.
„Willst du leben? Oder willst du sterben?“ Als Ackermann sich zierte zu antworten drückte er dessen Kinn fest an, damit dieser endlich etwas sagte.
„Bitte.“, krächzte der Geschäftsmann.
„Hör bitte auf. Mach bitte ein Ende.“ Der Maskierte zog seine Augen zusammen.
„Dann willst du, also sterben?“, hakte er nach. Ackermann gab ein Summen von sich.
„Ja. Bitte lass es enden.“, bettelte er. Der Maskierte nickte. Ackermann spürte nun endlich den erlösenden Stich in sein Herz. Seine Augen bekamen einen fast frohen und glücklichen Ausdruck. Das bildete sich zumindest der Maskierte ein. Er säuberte nochmals Ackermanns Brust, damit seine Zahl auch deutlich zu lesen war.
„Noch Zwölf.“, murmelte er.
Kapitel 2
Zeit existiert nicht, es existiert nur das Jetzt.
„Feierabend.“, schob Chris demonstrativ seinen Stuhl zu Recht. „Fast.“, hielt Damir seine Freude zurück und zeigte in Richtung Tür. „Dieser Reimer, Reiner, oder wie auch immer hat sich für heute noch angekündigt.“, erklärte er. Chris schüttelte den Kopf.
„Ohne mich. Ruf ihn an und vertröste ihn auf morgen.“, bat er seinen Kollegen um einen Gefallen, welchen Damir jedoch abschlagen musste.
„Is’ schon da, kommt gerade die Treppe hoch. Er hat sich vor wenigen Sekunden über die Sprechanlage angekündigt.“, gab er an. Chris warf seinen Kopf in den Nacken.
„Ade Feierabend.“, seufzte er und hörte kurz darauf das erwartete Klingeln. „Ich lass dich dann mal allein. Will meinen Feierabend ja auch genießen.“, rieb sich Damir die Hände. Chris sah ihn verstohlen an.
„Du gehst und ich darf noch Bleistifte spitzen?“, fühlte er sich im Stich gelassen. Damir schmunzelte.
„Dein Fall. Worum geht’s eigentlich?“, hakte er nach. Chris winkte ab.
„Kannst du dir doch denken. Worum es immer geht.“, erwiderte er. Damir nickte.
„Sehen wir uns dann nachher im Shelter? Ich gebe dir dafür einen aus.“, bot er an. Chris bestand sogar darauf und Damir schritt zu Tür. Er riss seinen Mantel vom Kleiderständer und öffnete die Tür. Er begrüßte den Klienten und bat ihn herein. Kurz darauf verließ er die Detektei. Chris sah durchs Fenster. Es hatte zwar noch nicht geschneit, aber der Winter war definitiv eingebrochen. Er würde sich demnächst wohl auch dickere Sachen zulegen müssen. Er beschloss sich demnächst eine gemütliche Jacke zuzulegen.
„Herr Hartmann, so reden Sie doch!“, war Chris vollkommen entgangen, dass sich der Klient bereits auf den Stuhl vor seinen Schreibtisch gesetzt hatte.
„Achja, Herr Reiner!“, begrüßte er ihn. Der Klient hustete. „Reimer.“, korrigierte er. Chris musste schmunzeln.
„Und? Wie schautes aus? Hat’s die Nutte gewagt mich übers Ohr zu hauen?“, fragte Reimer scharf. Chris bat ihn erst einen ruhigeren Ton einzuschlagen.
„Herr Reimer, ich muss Ihnen in der Tat mitteilen, dass sich Ihr Gefühl bestätigt hat.“, antwortete Chris im Takt. Er wusste nicht, wie oft er diesen Satz in diesem Monat bereits runtergeleiert hatte.
„Ich habe das Privatleben Ihrer Frau Gemahlin unter die Lupe genommen und bin zum Schluss gekommen, dass Sie derzeit eine Affäre mit ihrem Arbeitgeber, Kurt Ritter führt.“, sagte er gefühllos und reichte Reimer einen Umschlag. Dieser war offen, aber Reimer schien es dennoch für nötig zu befinden ihn aufzureißen. Mehrere Fotos purzelnden heraus. Reimer musste sich nur eines ansehen, um wieder einige hässliche Wörter auszusprechen.
„Ich hab’s Ihnen gesagt, Herr Hartmann! Oder?“, fuhr er Chris an. Dieser versuchte seine Gesichtszüge so zu verschieben, dass es nach Anteilnahme aussah.
„Ja, das haben Sie Herr Reimer.“, erwiderte er kühl. Einige seiner Klienten zogen es vor sofort zu bezahlen und dann wütend das Gebäude zu verlassen und sofort einen Scheidungsanwalt hinzu zu ziehen. Reimer war keiner dieser Leute. Er war mittleren Alters, schick angezogen und vermögend. Das war auch der einzige Grund, warum Chris den ‚Fall’ annahm.
„Wissen Sie, was sie mir erst heute gesagt hat? Sie muss länger arbeiten! Da konnte ich mir im Prinzip schon vorstellen, was damit gemeint war. Eigentlich waren Ihre Untersuchungen von Anfang an unnötig!“, warf er Chris vor. Dieser nickte brav. „Wenn ich sie jetzt wegen der Zahlung unterbrechen darf….“, versuchte er sein Glück, doch Reimer redete nicht weiter. „Wissen Sie, was ich mache? Wegen dem Haus wird’s schwierig, aber mit dem Konto lässt sich einiges machen! Bei der Scheidung geht sie jedenfalls leer aus. Clever, von mir, oder?“, fragte er mehr sich selbst, doch Chris nickte wieder. Dann klingelte es erneut. Chris vermutete Damir, wer sonst würde so spät stören?
„Entschuldigen Sie mich.“, stand Chris auf und ließ Reimer mit seinem Frust allein. Chris ging betont langsam, damit sein Klient Zeit hatte sich abzuregen. Er öffnete die Tür und erwartete einen grinsenden Damir draußen zu stehen. Fehlanzeige. Er sah nur noch blau.
„Herr Hartmann?“, wurde er sofort gefragt. Chris nickte nicht, sondern musterte die beiden uniformierten Polizeibeamten, die vor seiner Tür