Revival
hatte. Sie wusste, dass sie nie pünktlich zurück sein würde, was ihr aber auch egal war. Sie war viel zu vernarrt in ihr Abenteuer. Also fasste sie einen Plan. Sie wollte unbedingt die Schule ausfindig machen und sich mit anderen gleichaltrigen unterhalten. Aber wo sollte sie anfangen zu suchen. Die einfachste Idee kam ihr erst nach einigem überlegen. Sie beschloss jemanden nach dem Weg zu fragen. Ein älterer Mann kam ihr entgegen, und sie begann ihn zu fragen. Doch der Passant hörte ihr nicht einmal zu und schlenderte einfach an ihr vorbei. Emma wurde zornig. Sie beschloss sich einfach das ganze Dorf anzusehen. Irgendwann würde sie schon an der Schule vorbeikommen. Nach einiger Zeit sprangen ihr die verschiedenen Geschäfte ins Auge. Sofort begutachtete sie die Schaufenster. Im Kloster gab es sowas nicht. Das Mädchen hatte noch nicht einmal Geld in der Hand gehabt. Sofort lief sie zur Eingangstür und stemmte sie auf. Dann hörte sie eine Glocke. Sie war ober der Tür montiert und verriet dem Verkäufer, wenn ein Kunde den Laden betrat. Dieser staunte nicht schlecht, als er Emma ganz ohne Begleitung entdeckte. „He, Kleine, bist du etwa ganz alleine hier? Wo sind den deine Eltern?“, verwickelte er sie in ein Gespräch. Emma zögerte etwas. Sie erinnerte sich wieder, was ihr Bruder erzählt hatte. „Die sind gestorben.“, antwortete sie brav, obwohl sie keinen Schimmer hatte, was das bedeutete. Der Verkäufer schien Kinder gern zu haben und drückte sein Beileid aus. „Und wo lebst du jetzt?“, hakte er nach. Er überlegte bereits die Polizei zu verständigen. „Ich lebe mit meinem Bruder bei Adrian. Der ist echt voll nett.“, erzählte sie. Das beruhigte den Verkäufer. „Und was führt dich zu mir?“, fragte er erst jetzt. Emma wusste das genau. Sie hatte Hunger bekommen. Obwohl sie kein Geld besaß, spendierte er Verkäufer ihr ein paar Süßigkeiten. Im Waisenhaus waren diese rar, und Emma freute sich riesig. „Sag mal, wieso bist du eigentlich nicht in der Schule?“, fragte der Verkäufer weiter. Jetzt erinnerte sich Emma wieder an ihren Plan. „Ach richtig. Wissen Sie, wo ich diese finde?“, fragte sie ganz höflich. Der Verkäufer hob die Augenbrauen. „Das solltest du schon wissen. Aber gut. Sie ist gleich hinter dem Rathaus. Du hast dich wohl verlaufen. Soll ich mit dir gehen?“, bot er an. Emma verneinte und bedankte sich. Der Verkäufer gab ihr noch ein paar Bonbons mit, bevor sie das Geschäft verließ. Jetzt wusste sie zwar wo sich die Schule befand, aber nicht das Rathaus. Sie wollte schon zurück, als sie
sich wieder erinnerte. Es war das einzige Gebäude, dass aus Beton gebaut wurde. Und das zu finden konnte nicht so schwierig sein. So durchquerte Emma alle Straßen und Gassen, bis sie an ihrem Ziel ankam. Sie marschierte am größten Gebäude des Dorfes vorbei und erblickte kurz darauf die Schule. Von Kindern war aber nichts zu sehen. Bestimmt saßen sie in ihren Klassen und lernten fleißig. Emma betrat eine große Wiese, die wohl als Pausenhof dienen sollte. Die Tür stand offen und Emma trat ein. Auch auf den Gängen blieb es still. Sie schlich zur ersten Tür und presste ihr Ohr gegen sie. Drinnen waren deutlich Stimmen zu hören. Erst sprach ein Erwachsener, dann ein paar Kinder. Emma wollte die Tür bereits öffnen, als sie eine laute Glocke hörte. Drinnen wurde es lauter und Stühle wurden bewegt. Alle Kinder redeten durcheinander. Für Emma bestand kein Zweifel, dass die Pause begonnen hatte. Die Tür sprang auf und die ersten stürmten hinaus. Einige musterten Emma argwöhnisch. Andere ignorierten sie einfach. Einige liefen aus der Schule, auf die große Wiese, während andere auf dem Schulgang blieben und sich unterhielten. Sie kauten auf ihren Pausenbroten und dachten nicht einmal daran Emma anzusprechen. Also musste das Mädchen den ersten Schritt tun. Sie schlenderte zu einer Gruppe Mädchen, die gleich alt sein mussten, wie sie. „Hallo.“, sagte sie ganz unschuldig. Die Mädchen drehten sich zu ihr und erwiderten ihren Gruß. „Sag mal, ich habe dich hier noch nie gesehen. Bist du neu?“, fragte eine von ihnen misstrauisch. Emma schüttelte den Kopf. „Nein, ich gehe woanders zur Schule.“, antwortete sie. Nun hatte sie das Interesse der Mädchen. „Cool. Und wo kommst du her? Und was führt dich zu uns?“, redeten sie nun durcheinander. Emma erzählte vom Waisenhaus, und von ihrem Abenteuer ins Dorf. Sie erwartete Jubel, oder wenigstens Begeisterung. Sie wäre auch mit Gleichgültigkeit klar gekommen, aber nicht mit Gelächter. Die Gruppe von Mädchen schien Emmas Geschichte mehr als komisch zu finden. „Was sagt man dazu? Eine Nonne!“, machte sich eine von ihnen über sie lustig. Immer mehr Kinder kamen dazu, und die Mädchen erzählten alles weiter. Mit so etwas hatte Emma nicht gerechnet. Sie war stocksauer und traurig. Sie beschimpfte ihre Gesprächspartner als Zicken und rannte weg. Kaum war sie aus der Tür gelaufen, hasste sie sich selbst. Wie war sie nur auf diese Idee gekommen? Wieso musste sie ihrem Bruder beweisen, was in ihr steckte? Sie rannte und rannte. Dann geschah das Unglück. Sie stieß mit jemandem zusammen. Unsanft krachte sie zu Boden. Es schmerzte nur kurz. Sie blickte auf und erkannte einen Jungen. „Entschuldigung.“, flüsterte sie leise. Irgendwie hatte sie plötzlich Angst bekommen. Der Junge, der vor ihr stand, war kaum älter als ihr Bruder. Trotzdem hatte er etwas gefährliches an sich.
Kevin suchte verzweifelt nach seiner Schwester. Er war im Dorf
angekommen, doch von Emma fehlte jede Spur. Er fragte einige Leute, doch die konnten ihm nicht helfen. Trotzdem gab er nicht auf. Den nächsten, den er fragen wollte, schloss gerade sein Geschäft ab. Er besaß einen Süsswarenladen, und nahm sich gerade eine Mittagspause. Kevin fragte ihn nach seiner Schwester, und der Verkäufer konnte ihm tatsächlich weiterhelfen. Er erzählte ihm, dass sich Emma nach der Schule erkundigt hatte. Er beschrieb Kevin den Weg, und dieser stürmte sofort los.
„Sag mal, was fällt dir eigentlich ein? Glaubst du, du bist ganz allein auf der Welt?“, warf der Junge Emma an den Kopf. Diese wich etwas zurück. „Ich habe mich doch entschuldigt.“, erinnerte sie. Doch schien dem Jungen nicht zu interessieren. Plötzlich schmerzte Emmas Hand. Jemand war auf sie getreten. „Ups. Ich sollte wohl besser aufpassen.“, sprach jemand. Ein weiterer Junge hatte sich eingemischt. Die beiden waren anscheinend Kumpel. Außerdem zweifelte Emma nicht mehr daran, dass sie an üble Schläger geraten war. Sie wagte es aufzustehen und unternahm einen Versuch wegzulaufen. Dieser scheiterte. Einer der Jungen passte sie ab und schubste sie. Sie torkelte rückwärts und fiel seinem Kumpel in die Arme. „Was sollen wir jetzt mit dir machen?“, flüsterte er ihr ins Ohr. Emma packte nun wirklich die Angst. Was würden diese Brutalos mit ihr anstellen? Ihr Bruder hatte Recht gehabt. Sie konnte noch nicht allein auf sich aufpassen. Sie war in einen Schlamassel geraten, aus dem sie nicht mehr so einfach herauskam. Die Schläger behandelten Emma wie einen Ball und schubsten sie sich gegenseitig zu. Kevins jüngere Schwester begann zu weinen. „He, sieh mal! Jetzt heult sie!“, machten sich die Jungen über sie lustig. Einer von ihnen wollte sie wieder schubsten, als er einen harten Schlag ins Gesicht abbekam. Geschockt und stöhnend fiel er zu Boden. Sein Kumpel kapierte nicht sofort, was passiert war. Dann erkannte er den Einmischer. Ein fremder Junge, den er noch nie gesehen hatte, hatte seinen Kumpel ohne Vorwarnung attackiert. „Kevin!“, rief Emma glücklich. Ihr Bruder war ihr zu Hilfe gekommen und würde sie nun retten. Aber hatte er überhaupt eine Chance, gegen die Schläger? „Niemand bringt meine Schwester zum Weinen!“, schärfte er den beiden ein. Der verletzte Schläger hatte sich wieder aufgerappelt und sah zu seinem Freund. „Willst du, oder soll ich?“, fragte er ihn. „Emma, du läufst jetzt sofort weg!“, rief Kevin seiner Schwester zu. Diese wollte nichts davon hören. Kevins Gegner lief auf ihn zu. Emmas Bruder hatte keine Ahnung davon, wie man kämpfte. Er wusste nur eines. Er musste seine Schwester unter allen Umständen beschützen. Der Schläger verpasste Kevin einen Schlag gegen die Brust, sodass er zu Boden fiel. Doch Kevin ließ sich nicht so einfach besiegen. Er trat nach dem Schienbein seines Feindes, womit er diesen sofort kampfunfähig machte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt er
sich das Bein. Sein Freund und wollte ihm zu Hilfe kommen und stürzte sich Kevin. Er nahm ihn in den Schwitzkasten, was Kevin gar nicht gefiel. Er wehrte sich so gut er konnte, doch sein Gegner war ihm überlegen. Dann ertönte ein Schrei. Sein Gegner ließ von ihm ab und hielt sich Hand. Der Grund war Emma. Diese wollte ihrem Bruder helfen und hatte ihm, so fest sie nur konnte, in die Hand gebissen. „Emma, wir müssen jetzt weg!“, drängte Kevin. Das Mädchen sah ihn verdutzt an. „Aber wir haben sie doch besiegt.“, erinnerte sie. Kevin sah das anders. „Vielleicht für die nächste Minute. Wenn sie wieder o.k. sind, haben wir keine Chance. Die machen uns fertig.“, versuchte er seiner Schwester klar zu machen. Diese verstand. Kevin ergriff ihre Hand und zog sie mit sich. Sie begannen zu rennen und nahmen extra Seitengassen, um eine Verfolgung unmöglich zu gestalten. Bald waren sie am Ende des Dorfes angekommen. „Kevin…es…“, versuchte Emma ihre Zwickmühle zu erklären. „Spar dir das. Das klären wir später. Jetzt gehen wir erstmal zurück.“, meinte Kevin nur. Ihm war anzusehen, dass er sauer auf seine Schwester war. Emma tat die Sache wirklich Leid. Sie wollte unbedingt einen Weg finden, ihren Fehler wieder gut zu machen. Es dauerte etwas, als sie wieder vor dem Kloster standen. Dort warteten bereits zwei ihrer Betreuerinnen. Emmas Freundin hatte ihnen alles erzählt, und es würde sicher