Revival
heftige Strafen hageln. Auch Adrian kam aus dem Gebäude und musterte die beiden Ausreißer. Sofort begannen die Aufpasserinnen zu schimpfen und zu belehren. „Bitte bestraft Emma nicht. Das ganze war meine Idee. Ich habe sie nur mitgeschleift.“, nahm Kevin die Verantwort auf sich. Die Nonne nahmen ihn beim Wort und brummten ihm Hausarrest und eine Strafarbeit auf. Außerdem durfte er eine Woche lang nichts mit seiner Schwester unternehmen. Kevin war das alles egal. Hauptsache alles war gut ausgegangen. Emma blickte zu ihrem Bruder hoch und verstand ihn nicht. Wieso hatte er für sie gelogen?
Kevin saß gerade vor seiner Strafarbeit, als Adrian ins Zimmer kam. „Wie geht es mit deiner Arbeit voran?“, fragte er gleich. Kevin musste zugeben, dass er erst wenige Sätze geschafft hatte. Adrian nickte langsam. „Gut, dann hebe ich diese Strafe auf.“, bot er an. Für Kevin kam das überraschend. Er kannte Adrian als strenger. „Womit habe ich das verdient?“, hakte er skeptisch nach. Adrian setzte sich auf Kevins Bett. „Ich weiß, dass du nur gegangen bist, um deine Schwester zurückzuholen.“, schien er die Sache durchschaut zu haben. Kevin schluckte. „Bitte bestrafe sie nicht.“, bettelte er.
Adrian musterte seinen Schüler. „Sie bedeutet dir sehr viel, nicht wahr?“, fragte er. Kevin bejahte. „Sie ist alles, was ich noch habe.“ Adrian verstand den Jungen durchaus. „Komm mit.“, sagte er und erhob sich. Kevin fragte wohin, doch Adrian ließ ihn im Dunkeln. Die beiden schlenderten durch die Gänge, bis ihr Ziel klar war. Adrian wollte in sein Zimmer. Es war mehr als ordentlich. Adrian wollte immer, dass alle dachten, er wäre der reinlichste Mensch der Welt, und sich ein Beispiel an ihm nahmen. Dabei wussten bereits alle, dass er die Putzfrau des Waisenhauses bestochen hatte. „Was tun wir hier?“, wollte Kevin nun endlich erfahren. Adrian bat den Jungen sich zu setzen. „Deine Eltern waren nicht die reichsten. Sie haben euch nur ein paar Klamotten und Spielzeuge vermacht. Diese liegen unten im Lager. Aber ein Erbe, habe ich hier in meinem Zimmer.“, erklärte er und stieg auf sein Bett. Er rückte ein Bild zur Seite, und Kevin erkannte dahinter einen Safe. Dort befand sich sicher das ganze Geld des Klosters. Adrian öffnete den Safe und holte etwas heraus. Es handelte sich um eine kleine, rechteckige Schachtel. „Ist das… etwa von meinen Eltern?“, wurde Kevin nun neugierig. Adrian bejahte. „In ihrem Testament stand, dass du es an deinem achtzehnten Geburtstag bekommen solltest.“, erzählte er. Kevin wollte die Schachtel an sich nehmen, doch Adrian ließ es nicht zu. „Ich sagte achtzehnten. Aber ich möchte dir schon vorher zeigen, was dich erwartet.“, sagte er geheimnisvoll. Voller Anspannung beobachtete Kevin wie Adrian eine Kette herausfischte, an der ein staubiger Stein hing. Kevin brummte. Er hatte mehr erwartet. Etwas wertvolleres, oder wenigstens brauchbareres. „Das haben mir meine Eltern vererbt? Und was soll das sein?“, hakte er nach. „Das hat einmal einem Gott gehört.“, sagte Adrian etwas, was Kevin nie von dem Mann erwartet hätte. „Einem? Das ich sowas von dir höre. Du bist der gläubigste Mensch, den ich kenne.“, meinte er. Adrian begann zu lachen. „Das bleibe ich auch. Ich weiß nicht ob ich glauben soll, was in diesem Testament stand, aber du solltest es. Dieses Amulett ist das Erbe deiner Eltern. Wenn die Zeit reif ist, wirst du es tragen.“, bestand er darauf. Kevin wusste zwar nicht, wofür das gut war, aber er versprach es. Dann begann ihm Adrian zu erzählen, was er im Testament gelesen hatte. Kevin hörte aufmerksam zu, als Adrian ihm von ägyptischen Göttern erzählte, die ausgelöscht wurden und ihre Kraft in die Amulette verbannten. Natürlich glaubte der Junge kein Wort davon. Seit er klein war, erzählten ihm Adrian und die anderen immer nur von Gott. Das hatte ihn lange Zeit geprägt. Also warum fing Adrian nun mit dieser Geschichte an? Und warum glaubte er sie selbst? Adrian legte den seltsamen Stein zurück in die Schachtel und verstaute diese im Safe. „Du wirst noch etwas auf dein Erbe warten müssen.“, sprach er und führte Kevin wieder hinaus. „Und jetzt geh an die frische Luft, die tut dir sicher gut.“, schlug er vor. Kevin beherzigte den Rat und marschierte zum Hinterhof. Dort war nämlich ein Spielplatz angelegt worden. Der Junge setzte sich auf die Schaukel. Das tat er öfters. Besonders wenn er nachdenken wollte. War es tatsächlich möglich, dass Adrians Geschichte wahr war? Oder waren seine Eltern verrückt? Er beschloss sich mit Emma darüber zu unterhalten, auch wenn es ihm verboten wurde. Langsam spazierte er zurück ins Haus und
steuerte auf das Zimmer seiner Schwester zu.
Das sollte sich jedoch als Fehler herausstellen. Emma befand sich nicht im Gebäude, sondern amüsierte sich im Freien. Zirka hundert Meter vom Kloster entfernt gab es mehrere Bäume. Einige ältere Kinder hatten dort ein Baumhaus gebaut, und es war Emmas Lieblingsplatz. Eigentlich sollte sie in ihrem Zimmer sitzen und irgendwelche Strafarbeiten erledigen. Nur dank ihres Bruders war ihr das erspart geblieben. „Die finden wir doch nie!“, erklang plötzlich eine Stimme. Emma erschrak und guckte aus einem kleinen Fenster. In der Nähe standen zwei Jungen. Emma kannte sie nicht. Sie wohnten bestimmt nicht im Kloster, das hätte Emma gewusst. Das Mädchen sah sich die beiden genauer an und erschrak. Es waren die Schläger, die sie in die Flucht geschlagen hatten. Aber was taten sie hier? Wollten sie Rache? „Wir müssten das ganze Gebäude absuchen. Wir bekommen eine Menge Ärger, wenn uns jemand erwischt.“, meinte einer. Der andere machte nur eine abfällige Handbewegung. „Ach was. Da drin wohnen soviele Kids, da fallen wir doch nicht auf.“, erwiderte er. Sein Freund hatte da aber noch Zweifel. Emma kauerte sich in eine Ecke. Zum Glück kamen die beiden nicht auf die Idee im Baumhaus nach ihr zu suchen. Dann wäre sie verloren. Sie versuchte so leise wie möglich zu sein. Selbst atmen wollte sie nicht zu laut. Dann geschah das unvermeidliche. Kevin tauchte auf. Als er seine Schwester in ihrem Zimmer nicht vorgefunden hatte, begann er sich wieder Sorgen zu machen. „Wenn das nicht unser alter Freund ist.“, begrüßten ihn die Schläger. Erschrocken und unsicher wich Kevin zurück. „Holen wir ihn uns!“, rief einer der Schläger. Kevin hatte nur noch eine Chance. Rennen! Er musste schnell zurück ins Kloster, wo er geschützt war. Allerdings war er kein besonders guter Sprinter. Doch in diesem Fall hatte er keine andere Wahl. „Kevin! Lauf weg!“, schrie Emma nun aus ihrem Versteck aus. Das war ein Fehler. Die Schläger wussten nun, wo sie sich befand. „Das nenne ich Glück.“, sagte einer der beiden. „Du nimmst dir die Göre vor, und ich begleiche unsere Rechnung!“, befahl der andere. Sein Freund machte sich sofort auf den Weg zum Baumhaus. Durch eine Strickleiter kletterte er hinauf. Wenn er oben ankam sah es nicht gut für Emma aus. Sein Freund griff währenddessen Kevin an. Dieser versuchte sich so gut wie es nur ging zu wehren, doch sein Gegner war stark. Er hatte bestimmt schon viel Erfahrung mit solchen kämpfen. Emma taumelte in die hinterste Ecke des Baumhauses. Der Schläger war oben angekommen. Gierig lief er Emma entgegen. Das Mädchen nahm nun all ihren Mut zusammen und lief auf das Fenster zu. Es war klein, aber Emma gelang es durchzuschlüpfen. Einem anderen wäre dies nicht gelungen. Auch nicht dem Schläger. Oder doch? Er wollte einfach nicht aufgeben und versuchte sein Glück. Es gelang ihm tatsächlich zur Hälfte
durch die Öffnung zu kommen. Kevin musste währenddessen einiges einstecken. Schläger Nummer 2 hatte ihm ein blaues Auge verpasst, und war noch lange nicht mit ihm fertig. Er boxte ihm in den Magen, worauf Kevin stöhnend zusammenbrach. Sein Gegner wollte ihn treten, bis er einen Schrei hörte. Sein Freund hatte nun zwar einige Schrammen, und sein Hemd war zerrissen, doch es war ihm gelungen Emma zu folgen. Diese war vom Fenster aus auf einen Ast geklettert, welcher auf das Dach des Baumhauses führte. Da der Schläger jedoch größer war, brauchte er nur zu springen, um zu Emma zu gelangen. Diese suchte nach einem Versteck, fand jedoch keines. „Jetzt bist du dran, Kleine. Uns tanzt ihr nicht mehr auf der Nase herum.“, keifte er und ging auf Emma zu. Diese schritt immer weiter zurück. Dann geschah es. Sie stolperte und verlor das Gleichgewicht. Sie kippte nach hinten und begann zu fallen. Zwar konnte sie sich noch kurz am Holz des Baumhauses festhalten, jedoch nicht lange. Sie fiel mehrere Meter in die Tiefe. Entsetzt sahen Kevin und die Schläger zu. „Emma! Emma!“, schrie Kevin erschrocken. Emma war unten angekommen und rührte sich nicht. „He! Lass uns hier verschwinden!“, schrie der Schläger, der Kevin bearbeitet hatte seinem Kumpel zu. Dieser reagierte nicht. Zu tief saß der Schock, dass er Schuld an dem Unfall war. Sein Freund musste ihn erst ein paar mal anschreien, bis er herunterkletterte. Dann nahmen die beiden ihre Beine in die Hand und liefen los. Unter keinen Umständen wollten sie die Konsequenzen tragen. So verletzt Kevin auch war, er rappelte sich wieder auf und torkelte zu seiner Schwester. Diese hatte sich noch immer nicht bewegt. Entsetzt musste Kevin feststellen, dass sie unglücklich gefallen und auf einem großen Stein aufgeschlagen war.
Der Student
In den ersten Sekunden wusste Kevin nicht, was er tun sollte. Er versuchte Emma wachzurütteln, doch es gelang nicht. „Adrian! Adrian!“, schrie er um Hilfe. Dieser hörte ihn natürlich nicht. Dafür eine der Nonnen, welche gerade den Hof fegte. Sie kam angerannt und sah voller Entsetzen, wie Emma da lag. Neben ihrem Kopf sammelte sich Blut. Ihr Herzschlag erhöhte sich und atmete laut. „Mein Gott! Kevin, was hast du angestellt?“, fragte sie den Jungen. Unter