Horrible School Day

This Girl

This Girl

Die Tafel
Ich beobachte sie nun schon seit einigen Wochen.
In den Kursen gibt es grob gesagt drei Arten von Schülern. Als erstes die, die immer die Antwort wissen und als zweites die, die selten die Antwort wissen. Doch eines haben beides gemeinsam, wenn sie doch einmal falsch liegen, zucken mit den Schultern, lachen kurz und haken es ab. Zugegeben es gibt viel genauere Eintelungen, aber das trifft es trotzdem ganz gut.
Die dritte Gruppe wird von ihr allein geführt. Sie meldet sich so gut wie nie und wenn sie mal aufgerufen wird, senkt sie den Blick oder stottert herum. Das ist immer so.
Entgegen mancher Vermutungen ist sie nicht dumm, sie hat einfach nur Angst. Wieso weiß ich nicht, es ist einfach so.
Oh, sie wird etwas gefragt; sie soll an die Tafel und das ausgerechnet in Mathe. Jetzt steht sie verloren vor der riesigen Tafel, mit der Kreide in der Hand. Stumm und bewegungslos starrt sie auf die Aufgabe, die dort aufgeschrieben steht.
Sie zittert. Wie immer. Ihr unsicherer Blick schweift zum Lehrer. Er schaut zurück.
Plötzlich zerbricht die Kreide in ihrer Hand, fällt zu Boden. Ihr zuvor blasses Gesicht wird rot vor Scham während sie sich bückt. Zögerlich schreibt sie die Rechenschritte an, macht immer wieder Pausen. Ganz so, als wolle sie fragen, ob es falsch ist.
Man kann die Zahlen kaum erkennen, so klein und blass sind sie geschrieben. Ganz genau wie sie. Ihr Blick ist erleichtert als sie sich endlich wieder setzen darf.

Das Referat
Entspannt lehne ich mich auf dem Stuhl zurück. Nach dem Referat meiner Gruppe ist sie dran. Während der Arbeitsphase habe ich sie wie immer genau gemustert.
Mit meinem Team habe ich wirklich Glück gehabt, wir haben alles schnell hinter uns gebracht. Ihre jedoch hat nur herumgealbert. Ehrlich gesagt würde es mich nicht wundern, wenn sie, wenn sie nicht in ihrer Gruppe gewesen wäre, nichts vorzutragen hätten. Doch, als die vier Spaßvögel SMS geschrieben und gequatscht haben, hat sie brav die Texte verfasst.
Unser Lehrer wird das aber nicht erfahren.
Angespannt, wie wir es von ihr gewohnt sind, steht sie mit den anderen am Platz des Lehrers. Alles geht gut, bis ihr Part des Vortrags an der Reihe ist. Stockend beginnt sie, liest von ihrem Zettel ab. Mit jedem Satz wird sie schneller um alles hinter sich zu bringen. Nach einigen Minuten, die für sie wohl quälend lange dauern müsse, ist sie erlöst.
Niemand gibt ihr Hilfestellung. Warum auch?

Die Rede
Deutsch. Ein recht entspannendes und ruhiges Fach. Normalerweise.
Denn das Unglück nahm seinen Lauf, als unser übermotivierter Lehrer uns eine freie Rede schreiben und vortragen lassen wollte.
Die letzte Doppelstunde haben wir damit verbracht, eifrig zu schreiben und zu üben, heute war es dann so weit, die Reden über ein selbst ausgewähltes Thema zu halten.
Trotz des überraschenden Eifers meiner Mitschüler, ist niemand von dem vortragen seines Werkes begeistert. Dementsprechend froh bin ich, dass ich es gerade hinter mich gebracht habe. Außerdem kann ich mich jetzt voll und ganz der Aufgabe widmen, die dritte Gruppe zu beobachten. Ich bin wirklich gespannt, wie es ihr ergehen wird. Na ja, es wird wohl wie immer laufen. Armes Ding.
Blackout. Ein totaler. Immer wieder schaut sie hektisch auf ihren Stichwortzettel. Er hilft ihr nicht. Mit ihren hängenden Schultern, eingeschüchterten Blick und zitternden Händen, macht sie einen Mitleid erregenden Eindruck. Sie wirkt so, als würde sie jedem Moment in Tränen ausbrechen. Das alle sie anstarren und hinter vorgehaltener Hand kichern, macht es auch nicht besser.
Ich kann mich dieses Mal nicht herauswinden; ich kann es nicht länger mit ansehen, aber wie soll ich ihr bloß helfen?
"Los du schaffst das!", rufe ich nach vorne. Ihr erschrockener Blick bleibt an mir hängen. Aufmunternd nicke ich ihr zu und zu unserer Überraschung, stimmen unsere anderen Mitschüler meinen Worten zu. Tatsächlich schien es zu funktionieren.
Als sie sich mit wackligen Beinen zu ihrem Platz in der ersten Reihe begibt, die Lehrer scheinen nicht zu bemerken, dass sie sich viel lieber hinten verkriechen würde, schenkt sie mir ein dankbares Lächeln, welches ich erwidere.
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