Der Augenblick ist Zeitlos

Türchen XIV. – Stress, du Trauma!

„Warum lässt du die Spange nicht im Haar?“
Ich seufze. „Weil sie farblich nicht zu dem Kimono und den kleinen Schlaufen im Obi passt – deshalb.“
„Und warum bindest du dein Haar zu?“
„Überleg’ doch mal – ein Zopf erweckt einen viel biederen Eindruck, als offenes Haar. Offenes Haar ist verspielt und wild und...“
„Tenten?“ Langsam reißt ihm der Geduldsfaden. Ihm geht die Geduld flöten und mir die Nerven. Ich kollidiere – mein Gott, die Anspannung frisst mich von innen heraus – ich brenne – ich verbrenne! Er scheint es zu merken – oh Neji – behutsam nimmt er meine in seine Hände, kniet sich vor mich und schaut mich von unten herauf an. Fest sieht er mir in die Augen und hält meinen Blick mit seinem. „Das ist nur mein Onkel und meine Cousinen – außerdem essen wir nur, sie werden dich nicht mit Fragen bohren – dafür sorge ich und dasSieben-Gänge-Menü schon.“
„Versprochen?“ Ich klinge wie eine Sieben-Jährige, doch es ist mir in diesem Moment egal. Ich bin soooo nervös.
Er lächelt auf eine so süße und gleichzeitig schüchterne Art und Weise, dass ich seufzen muss. „Versprochen“ Dann kann er es sich wohl doch nicht verkneifen und sagt deshalb: „Aber wenn du weiter so machst und deinen halben Kleiderschrank auf den Boden verteilst und deine Haare vom vielen frisieren kaputt machst, werden sie schon fragen und dann bist du wahrscheinlich auf dich allein gestellt.“ Zwar lächelt Neji – mein Neji – dabei, dennoch haue ich ihn spielerisch.
Er fängt meinen lahmen Versuch, ihm gegen die Brust zu schlagen, lächelnd ab, zieht meine Hand näher zu sich heran und küsst jeden einzelnen Finger davon. Dann berühren sich unsere Blicke.
„Ich liebe dich“, hauche ich.
Er gibt mir einen Kuss. „Ich liebe dich auch, Ten“

Das Essen war spektakulär. Nicht nur, weil ich mich als Stäbchen-Attentäterin entpuppt habe, sondern auch, weil wir redeten – viel redeten wir. Nicht einmal die verschiedenen Köstlichkeiten – Hähnchen in Orangensoße, Nudeln in Sojasoße und leckere Quarkbällchen und Reiswaffeln mit Apfelmus oder Zuckerguß konnten unsere regen Unterhaltungen dämmen. Es wurde viel gefragt – auch mich – aber das machte mir nichts.

Gut, anfangs hätte ich bei Weitem keinen Ton aus mir bekommen können, doch als ich Nejis Onkel mit meiner glitschigen Nudel mitten auf das Hemd traf, war es aus mit meiner Nervosität. Ich bekam Höllenangst. Eine Zeit lang war es still – totenstill – aber dann lachte er so kehlig und laut, dass wir nicht konnten – wir stimmten mit ein.
„Da hast du dir aber eine mutige Kandidatin ausgeguckt, lieber Neffe“ Er lächelte immer noch. „Ziemlich wankelmutig, hm?“
Ich lächelte zurück und dies war der Beginn eines der schönsten Weihnachtsabende, die ich je erlebt habe...
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