Sieben Sünden

Licht ist warm

'März, mein Kind
Du hast nie das Licht gesehen
Weißt nicht einmal, was es heißt zu sehen'

- [~Ido e Itaru Mori e Itaru Ido~] Kanojo ga Majo ni Natta Riyū 彼女が魔女になった理由 The Reason Why She Became Witch





1. Kapitel – Licht ist warm



Meine Hände strichen langsam und über das viele und nasse Gras unter meinen Körper, bemerkten den feuchten, von der letzten und kalten Nacht zeugenden, Tau auf den winzigen Keimblättern. Lauschend horchte ich den wilden, dennoch beruhigenden Klängen und stetigen Rauschen des Wassers. Ich genoss die beschützende Nähe des großen Baumes, die mich mit sanfter Kühle umarmte und spürte die einzelnen, warmen Sonnenstrahlen, welche mein Gesicht zärtlich kitzelten.

Ich genoss das Gefühl des Lichts auf meiner Haut, spürte, wie es mich angenehm wärmte und atmete entspannt aus. Die Hand meines rechten, in die Luft ausgestreckten Armes, suchte erkundend nach den warmen Strahlen der Sonne, versuchte sie zwischen meinen Fingern einzufangen.

Ich wusste wohl, dass das, meinen Körper diese wunderbare Wärme spendende, Licht sich nicht fangen ließ, so oft hatte ich es schon ausprobiert. Doch trotzdem verstand ich es nicht. Mein Griff verirrte sich in eine, nicht zu ergreifende Leere.

Wieso kann ich das Licht nicht mit meinen Fingern fassen, so wie die vielen Halme des Grases?

Wieso kann ich es nicht berühren, so wie das fließende Wasser des Flusses?

Wieso kann ich es nicht hören, so wie die liebklingenden Lieder der Vögel?

Langsam senkte ich meinen Arm, zog ihn zurück und berührte mit der Hand mein Gesicht, legte sie auf meine rechte Wange.

„Wenn ich es doch fühlen kann…“

Ich stieß einen betrübten Seufzer aus, ein milder Lufthauch streifte meine Haut und um mich herum wachte die ruhige Seele der Natur. Abermals bohrten sich die Nägel meiner Fingern in die Erde. Sie war weich und feucht, hatte sich aus der kalten und harten Umarmung des dunklen Winters befreit. Etwas, das ich auch nur zu gerne könnte…

Des kurzen Tanzen der, wie sich in der Dunkelheit verirrten, Funken vor meinen Augen müde, schloss ich meine Lider, um genießend den süßen, meiner Seele so fremden, Geruch diesen Frühlingsmorgens zu schmecken.

„Kamst du in den Wald, um den Gesängen der Geister zu lauschen, mein Junge?“

Ich schreckte überrascht auf, als diese kratzige, schiefe Stimme zu mir sprach und erkannte nur schwer die alte Frau hinter ihr. Nun bemerkte ich auch ein geräuschvolles Schleppen von Füßen, wie sich müde durch das Gras bewegten.

„So Ihr auch?“, antwortete ich mit bemüht freundlicher Stimme, während ich mich nebenbei aufzurichten begann.

Ich hatte mich auf meine beiden Arme abgestützt, bevor es mir gelang mich durch diese Hilfe, schnell und behutsam, auf meine Beine zu stellen. Ich wandte mich in die Richtung der soeben erklingenden Stimme.

„Nein, nein, mein Kind.“, hörte ich die alte Frau grunzend lachen.

„Gerne würde ich einmal wieder in den Wald kommen, um dem zu lauschen, was er mir zu erzählen hat. Aber dafür bleibt keine Zeit.“

Ihre schlappen Schritte wurden von einen entkräfteten Schnauben begleitet und ich vernahm ein weiteres, von ihr verursachtes Geräusch. Ein stumpfer Gegenstand wurde von ihr immer wieder in den erdigen Boden gestoßen; vielleicht um dieser Person schwerste Last – ihr hohes Alter – zu tragen. Ich kann es nur vermuten.

„Was hält Euch davor ab?“, fragte ich und meine Stimme hatte einen, mir unbekannten, holprigen Ton, begann zu zittern.

„Also für gewöhnlich begegnen andere mir nicht gerne…“

Von Neuem bemerkte ich, wie das alte Mütterchen ätzte, das leise Rascheln von Stoff und ein lautes, fürchterliches Knacken von Knochen.

„Sie meiden meine Nähe… sind nicht so mutig wie du, mein Junge.“

Eifrig schnappte ich nach Luft, verfluchte zugleich meine Neugier, als mich Gedanken später Erkenntnis packten und mich meiner freien Bewegung beraubten. Mein Kopf verurteilte diese Frau, beschimpfte sie heimlich etwas Unverzeihlichen. Doch ich frage mich… wieso?

„Was wollt Ihr hier?“, fragte ich verunsichert, hörte erneut ihr müdes Lachen.

„Deine Aufmerksamkeit ist miserable. Siehst du das denn nicht?“, erntete ich als Gegenfrage, vernehme erst jetzt die unscheinbaren Laute des Pflückens.

„Doch vielleicht magst du mir bei meiner Arbeit helfen?“

Ein kleiner Funken in meinem Verstand sagte mir ich solle weglaufen, raus aus diesem Wald. Doch mein Instinktdenken wurde von meinen Herzen, meiner Gutgläubigkeit und Unwissenheit ausgetrickst. Sie kannten keine Furcht oder Angst, keine schlechten Erfahrungen.

Langsam ließ ich mich, mit meinen Knien, in das Gras zu meinen Füßen zurückfallen.

„Such doch bitte für mich nur nach etwas Löwenzahn, während ich weiterhin das Gras mit der Sense schneide.“, bat die alte Frau, und ich suchte, mit meinen Händen tastend, den weichen Boden ab, bemerkte ein leichtes, in Höhn verfallende, Murmeln aus dem Mund der fremden Person.

Ich kroch, gestützt auf meinen beiden Armen und Beinen, über den Boden, suchte mit meinen Händen das hohe Gras ab und stieß mit ihnen in ein verdächtiges Knistern. Urplötzlich spürte ich, wie ein schmerzhaftes Kribbeln in meinen Fingern zu kitzeln begann, sich rapide ausbreitete. Ein Brennen, das mit begierigen Flammen aufkeimte, mich einen schrillen Schmerzenslaut ausstießen ließ.

„Welch ein Tollpatsch.“, erklang wieder die, mit den Jahren, abgenutzte Stimme der Alten.
Ich bemerkte die runzligen und groben Hände der alten Frau, die sich mit einen festen Griff um meinen linken Oberarm schlossen, und spürte die spitzen Fingernägel, welche sich in meine Haut bohrten. Ich jammerte, klagte über die harte Behandlung dieser rücksichtslosen Hexe.

„Das ist halb so schlimm…“, hörte ich sie sagen, vernahm danach schleifende Schritte, welche sich von mir entfernten.

Einige Zeit später griff sie wieder nach meinen brennenden Händen und ich fühlte die angenehme Kühle des nassen Stoffes, den sie um meine rechte Hand wickelte. Ich genoss das Gefühl der Linderung auf der Haut, wie die flammenden Schmerzen nach und nach erstickten.

„Du bist ein dummer, kleiner Junge. Und trotzdem weißt du mehr als andere Kinder deines Alters.“, das alte Weib machte eine kurze Pause.

Ich zuckte erschrocken zusammen, als sich, so völlig ohne eine geringste Vorwarnung, eine schrumpelige Hand über meine Augen legte, mich dazu brachte meine Lider zu schließen, auf welchen diese weiterhin verweilte.

„Du siehst und erkundest diese Welt mit deinen Herzen… Du siehst sie ohne deine Augen…“

Ich schüttelte perplex meinen Kopf, wandte mein Gesicht aus der Berührung dieser fremden Hände. Diese alte Hexe hatte doch keine Ahnung wovon sie redete!

„Ich kann nicht sehen. Doch aus Ihren Mund klingt es so, als wäre es etwas worauf ich stolz sein sollte.“

„Ist es das denn nicht, Junge?“

Etwas stieß ermahnend gegen meine Nase, bevor die Finger der alten Frau abermals nach meiner rechten langten, sie fast unbemerkt den Stoff von ihr lösten und ihn an meiner anderen wieder anlegten. Dann griff sie wiederholt nach meiner rechten Hand. Sie drehte sie in den ihren, tupfte spitzt gegen jeden einzelnen meiner Finger und legte anschließend die Innenfläche offen.

„Das Leben führt durch ein Labyrinth aus Lügen, Intrigen und zwingt den Menschen Unwahrheiten zu sehen. Doch was siehst du? Genießt du es nicht, über mehr Wissen als die anderen zu verfügen, durch diesen Irrgarten gehen zu können, ohne von ihren Äußerlichkeiten beirrt werden zu können?“, fragte mich die kratzige Stimme.

Ich fühlte mich unter ihrem Dasein unwohl, und auch wenn ich es für mich nicht bestätigen kann, bin ich mir sicher ihre Augen auf den meinen zu spüren.

„Gute Frau, wieso glaubt Ihr, dass ich sowas kann?“

Die Fremde brach in ein kurzes, brüchiges Lachen aus.

„Dein Blick ist noch nicht ausgereift, getrübt von Unsicherheit. Doch das Herz ist rein. Es ist stark.“, hörte ich sie sagen.

„Und es ist dein Augenlicht….“

Ich bemerke plötzlich eine Hand auf meiner Brust, direkt über meinen schlagenden Herzen.

„Ein solches Herz lässt sich nicht täuschen. Nicht das deine, mein Junge.“

Und im nächsten Moment wurde ich an meinen Armen gepackt, an ihnen auf meine Füße gezwungen, weswegen ein, vor Schrecken aufgescheuchter, Laut meine Lippen verließ. Ich wurde ein Stück nach vorne gerissen und die dicken Finger lösten sich wieder von mir, nur um sich erneut um das Gelenk meiner linken Hand zuschließen.

„Sag mir, was du siehst.“, sagte ihre abgenutzte und ich fand mich, die feuchte und harte Rinde eines Baumes, mit meiner Hand berührend, wieder.

„Was fühlst du, mein Junge?“

„Ich… was…“, stotterte ich verwirrt.

„Wozu soll das gut sein?“

„Konzentrier dich und tue was ich dir sagte.“, schimpfte das alte Weib, klatschte mir schmerzhaft auf den Rücken und schlug einige Male übertrieben auf meine Schultern, so stark, dass ich unter dieser Last fast zu Boden gestürzt wäre.

„Jetzt lausche… Was siehst du?“

„Einen Baum.“, antwortete ich lustlos.

Auf solche albernen und sinnlosen Spielereien hatte ich keine Lust.

„Was noch?“

Ich grummelte genervt, versuchte nebenher den tobenden Sturm aus Schmerzen auf meinen Rücken, mit meiner anderen, freien Hand, zu beruhigen. Ich konnte nicht verstehen, was sie von mir verlangte.

„Einen Baum?“, wiederholte ich stumpf auf ihre Forderung, doch bereute es sofort.

Sich aus meiner geschwächten Gabe der Aufmerksamkeit ihren Nutzen ziehend, gab sie mir einen Schlag gegen meinen Kopf. Ich fluchte heimlich. Diese gehässige Frau war nichts weiter als eine grausame Hexe.

„Lass dich doch nicht von
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