Des Rächers Herzen - Unfähig zu lieben
damit seine Aufmerksamkeit zum ersten Mal seit Beginn seiner Wachschicht fallen und atmete ein paar Mal tief durch.
Es war nur noch eine Frage von einer halben bis Stunde, bis der Morgen vollends da war. Ein Morgen, an dessen Tagesende er seinem Ziel, das er schon seit Jahren fieberhaft verfolgte, einen Schritt näher kam. Allmählich neigte sich seine Jagd gen Ende zu – er spürte es und konnte es kaum noch erwarten.
Als die Sonne dann endgültig den Himmel erobert hatte, erhob Sasuke sich und rief die anderen mit einigen kurzen, voller Nüchternheit gesprochenen Worte auf, den Weg nach dem Versteck fortzusetzen. Es war nicht mehr weit und die Strecke in wohl weniger als ein paar Stunden überwunden.
Sasuke drängelte zwar nicht offen, war aber dennoch um Eile bemüht. Der Zwischenstopp sollte nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, denn das, wonach dem jungen Uchiha eigentlich der Sinn stand, würde damit nur noch weiterhin aufgeschoben werden. Und dabei war er des Wartens doch schon so lange leid.
Seine Begleiter jedoch waren, auch wenn ihre Anwesenheit ihm durch ihre Fähigkeit mancherlei Vorteil beim Ausführen seines Zieles boten, wie sooft ein zeitraubendes Hindernis. Der eine, Juugo, war zwar ganz erträglich, weil überwiegend von ruhiger Natur; die anderen beiden jedoch – Karin und Suigetsu – raubten dem schweigsamen Sasuke praktisch in jeder Sekunde ihres Beisammenseins den letzten Nerv.
Sowohl Karin als auch Suigetsu waren von weitaus temperamentvollerer Natur als Juugo und der Uchiha-Spross selbst, wobei Karin dabei sogar als ausgesprochen aufbrausend zu beschreiben war. Streitigkeiten zwischen Suigetsu und Karin ereigneten sich außerdem beinahe sekündlich und eskalierten dabei mehr als jedes zweite Mal.
Sasuke hätte dem als Anführer sicherlich Einheit gebieten und die beiden Streithähne ihn ihre Schranken verweisen können, doch dazu war er schlicht zu stolz. Das tat ein Sensei vielleicht mit seinen dummen Schülern, aber er, ein Nachkomme des berühmten Uchiha-Clans und Rächer des selbigen, würde sich gewiss nicht dazu herablassen, den beiden ihrer Kindereien wegen auch nur einen Funken Aufmerksamkeit mehr zu schenken, als unbedingt nötig war. Das waren sie nicht wert.
Meist sprach er nach langer Zeit zwar ein Machtwort, aber auch nur dann, wenn er seine Konzentration durch Karin, Suigetsu und ihrer unnachgiebigen Zankerei allzu gefährdet sah. Unaufmerksamkeiten durfte er sich unter keinen Umständen erlauben.
Beide, Suigetsu und Karin, hielten sich während der Weiterreise zwar wie gewohnt auch heute nicht im Zaum, aber es hielt sich doch wenigstens noch so weit in Grenzen, dass Sasuke es noch nicht als wichtig genug ansah, ihre Zankereien auch noch mit Worten zu würdigen. Hier im menschenverlassenen Wald würde sie ohnehin niemand hören können, mal ganz davon abgesehen, dass sie ihr Ziel ohnehin soeben erreicht hatten: einen abgestorbenen Baumstamm, der aussah, als hätte vor langen Zeiten ein Blitz darin eingeschlagen. Hier befand sich, gut verborgen, der Eingang zu Orochimarus unterirdischem Versteck.
„Karin“, unterbrach Sasuke nun erstmaliges an diesem Tag das Gezeter der rothaarigen Brillenträgerin. „Ich möchte, dass du prüfst, ob wir entgegen aller Erwartungen doch noch jemanden anzutreffen haben.“
„Immer ich…“, murmelte die Aufgeforderte missmutig. Insgeheim aber kam sie dieser Bitte, die eigentlich keine Bitte sondern ein Befehl war, nur allzu gerne nach.
Es galt zwar, dies gut zu verstecken, doch eigentlich sie hegte sie heimlich Schwärmereien für den jungen Uchiha und würde, wenn sie dafür nur ein klein wenig seiner kostbaren Aufmerksamkeit erhielt, wohl alles für ihn tun. Doch gleichzeitig würde sie sich hüten, dies vor den Teamkameraden Juugo und Suigetsu jemals zu zeigen!
So schloss Karin langsam die Augen und konzentrierte sich. Konzentrierte sich auf Bäume, den sanften Wind, die Erde, das Gras… Partikel in all diesen Dingen nahmen die Spuren des Chakras anderer Menschen auf. Karin war in der Lage dies zu erfühlen – genauer zu riechen -, zuzuordnen, zu identifizieren und wiederzuerkennen. So konnte sie genau sagen, ob sie untertags auf jemanden treffen würden, und wenn ja, vielleicht sogar auf wen.
„Niemand da“, meldete sie allerdings nach einigen Minuten.
„Sicher?“, erkundigte sich Sasuke. Irgendwas sagte ihm, dass sie nicht die Wahrheit sprach. Gefühle ließ er zwar nach Möglichkeit schon lange kaum noch zu, aber sein Instinkt war scharf wie der eines wilden Tigers auf der Jagd, der intuitiv immer und ausnahmslos goldrichtige Entscheidungen traf.
„Sicher bin ich sicher!“, brauste Karin sogleich auf und stemmte erbost die Hände in ihre Seiten. „Hab' ich dich denn jemals enttäsucht? Ich kann mich nicht daran erinnern.“
Vollends überzeugt war Sasuke zwar immer noch nicht, durchschritt allerdings dennoch ohne ein weiteres Wort gefolgt von seinen Kameraden die verborgene Pforte. Mit Zicken von Karins Kaliber hatte er schon sehr früh Erfahrungen sammeln können und wusste demnach genau, dass jeder weitere Satz ohnehin zu keinem Ergebnis führen würde. Es wäre nicht mehr als verlorene Zeit. In einer solchen Situation waren Taten im Zweifelsfall um ein Vielfaches effektiver als jede einzelne gesprochene Silbe.
Doch sein Instinkt hatte Sasuke nicht getäuscht. Karin hatte tatsächlich etwas verschwiegen. Da war sehr wohl noch jemand unten in den Korridoren, obgleich es nur eine einzige Person war und ebenso hatte Karin das sehr wohl erspürt.
Gewiss musste man dieser bei der Weitläufigkeit der verborgenen Korridore nicht unbedingt begegnen. Es war sogar um ein Vielfaches wahrscheinlicher, dass kein Treffen zustande kam. Natürlich hatte Karin angenommen, dass eben der wahrscheinlichere Fall eintreten würde und hatte deshalb ihre Teamkollegen unbehelligt gelassen.
Außerdem kannte sie die Person, die sich noch im Versteck verborgen hielt, leidig und wusste, dass von ihr keine Gefahr ausging. Im Gegenteil! Warum deshalb unnötig Alarm schlagen? Den angebeteten Sasuke hätte es sicherlich verärgert, durch etwaige, vollkommen überflüssiger Vorsichtsmaßnahmen Zeit zu verlieren. Nicht, dass er diesen Ärger allzu leidenschaftlich zeigen würde, aber dennoch... Es musste einfach nicht sein. Diese Person da unten war das nicht im geringsten wert – da konnte Karin sich absolut sicher sein.
Ihre Erwartung übrigens, wäre auch beinahe Wirklichkeit geworden– beinahe. Nur einen Flur früher abgebogen und Team Hebi wäre der Person, die Karin erspürt hatte, nicht begegnet. Aber das Schicksal wollte wohl, dass es geschah.
So bewegte sich Sasuke gefolgt von den Seinigen Schritt für Schritt näher an die Person – ein Mädchen in seinem Alter, das so anders war als er, dass sie nicht verschiedener hätten sein können:
Sein Herz war zerfressen vom Feuer des Hasses, während ihres von der Kälte der Angst erstarrt war. Wie Feuer und Eis – so verschieden waren sie. In vielerlei Hinsicht. Und doch einte sie schon jetzt, wo sie sich noch niemals begegnet waren, eins: eine gebrochene Seele.
Darauf, dass aus dieser Gemeinsamkeit ein Balsam für die Seele des jeweils anderen werden sollte, deutete jetzt, als Sasuke um die Ecke in den nächsten Gang bog, und das Mädchen, das sich am anderen Ende des selbigen aufhielt, zum allerersten Mal in seinem Leben erblickte, noch nichts hin.
Ganz im Gegenteil sogar…