Behind blue eyes
welche Rolle dieser Mann in seinem Leben spielte. Auf eine perfide Art und Weise. Sehr perfide.
Und genauso verrückt, so wahnwitzig unnormal war diese Szene wohl auch. Niemand der bei klarem Verstand war würde sich so verhalten, wie dieser Teenager es gerade tat. Der nicht mal eine Spur Angst oder Hass zeigte.
„Wenn ich mit Ihnen wetten dürfte, würde ich sagen, Sie waren all die Jahre auch hier?“
Niemand würde das. Das wusste auch der alte Mann, der nun seinen Gehstock mit den gealterten Händen stärker umfasste. Seit kurzem verweigerte sein Körper ihm den normalen Gang ohne Hilfsmittel, eine Demütigung ohne Grenzen. Er wurde alt. Nein. Er wurde immer älter und bald hatte er das Ende seiner Tage erreicht. Das war jedem bewusst, der ihn nur eine Sekunde länger musterte als die vorüber gehenden Schatten, die sich Menschen nannten.
„Ganz schön groß geworden, ganz schon groß ... Siebzehn Jahre richtig? Eine lange Zeit.“
Eine viel zu lange Zeit. Eine Zeit, die sie sinnvoll hätten nutzen können. Teddy hatte so viele Fragen und war sich bei jeder einzigen sicher, dass er sie nie würde stellen dürfen. Doch auch wenn er in dieser Hinsicht enttäuscht werden würde, so würde niemand es schaffen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Er hatte diesen Plan jetzt sechs Jahre mit sich herum getragen, es waren Zweifel dabei gewesen, natürlich auch Wut, aber am Ende wusste Teddy, dass nur er die Chance haben würde, diese Geschichte für alle zu beenden.
Tief durchatmend – immer noch verbotend lächelnd – reichte er dem alten Herrn seine Hand hinunter. Und nach all der Zeit war sich Teddy sicher, dass er genau in diesem Moment die Hand auf seiner Schulter spüren konnte. Der Kreis sollte sich schließen und auch wenn niemand, der lebte, es verstehen würde, seine Eltern würden es verstehen. Er spürte ihre Geister hinter sich und wartete nicht weiter auf eine Reaktion seines Gegenübers. Zu lange hatte er darauf gewartet. Zu lange. Und er war sich sicher, dass die zwischen ihnen schwebenden Worte heute noch ihren Klang finden würden – sobald Teddy seinen Part erfüllt hatte.
Der alte Mann versteifte sich sichtlich, wie Ted seine Hand berührte, erst vorsichtig, um einen Einwand abzuwarten – doch dann löste er die verkrampfte Hand vom Gehstock, legte seine zweite um sie und half dem alten Herrn aufzustehen.
„Kommen Sie! Wie Sie sagten, es ist lange Zeit her, niemand wird sich so an Sie erinnern.“
Es war nicht weit. Die Mauer, der magische Übergang, kam schnell auf sie zu, auch wenn sie langsam gingen, um den alten Beinen nicht alle Kraft zu rauben. Ein bedächtiges Voranschreiten. Teddy war sich nur zu deutlich bewusst, wen er da gerade an der Hand führte, mit welchen Flammen er gerade Katz und Maus spielte. Sein Herz konnte sich nicht beruhigen, es war elektrisierend. Die Welt hatte für diesen Weg aufgehört, sich zu drehen, die Generationen verschmolzen, ließen die Geschichte in einem anderen Licht erscheinen. Der schwere Atem setzte aus, wie sie vor den Backsteinen stehen blieben, das Röcheln nach Luft war zu den unbedeutsamen Dingen geworden. Die blauen Augen zuckten zwischen der eigenen Hand, an der Teddy den Mann führte, seinem Gesicht und der Mauer hin und her. Und Ted konnte nicht beschreiben, wessen Herz gerade wohl schneller schlug.
„Nur zwei Schritte.“
Die Welt war bunt.
Sie leuchtete gerade zu.
Die Farben schimmerten in allen Facetten – schwarz und weiß erlosch. Der alte Körper straffte sich, seine Hand hatte begonnen zu zittern. Der Stock fiel klappernd zu Boden, während er einen weiteren Schritt auf die rote Lok zutrat, die sich in diesem Moment aus dem Rauch schälte wie ein Monument alter Tage. Niemand mag sagen, was in diesem Moment im Kopfe des alten Herrn vor sich ging. Niemand. Niemand außer Ted Lupin. Nur vorsichtig hatte er die vernarbte Hand losgelassen und hatte die ersten Atemzüge des Mannes in der neuen Farbwelt verfolgt. Lächelnd ging er in die Hocke, um den Gehstock vom Boden aufzuheben, ehe er sich an die Seite des Mannes stahl, der inzwischen den löchrigen Hut vom Haupt gezogen hatte, damit seine zitternden Hände etwas zu halten hatten. Das Haar war von seinem Kopf gewichen, bildete nur noch einen lichten Kreis an den Schädelseite, unterbrochen von den Narben, wo nie wieder das Haar nachgewachsen war.
Auf dem Bahnsteig herrschte das übliche Getöse und Gebrumme von Zauberern, Hexen, Eulen und Fröschen, lachenden Kindern und schniefenden Eltern. Alle damit beschäftigt, Koffer zu verladen und den Kindern einen Abschiedskuss zu geben, sich lachend in die Arme alter Freunde zu werfen. Und am Rande von allem, am Rande stand ein alter Mann mit blauen Augen, das erträumte Bild seiner Kindheit vor Augen. Er fühlte sich jung, er fühlte sich unversehrt. Niemand hatte es vermocht, ihm dieses Gefühl je zu geben, niemand, auch wenn er ewig auf der Suche war nach seiner Gerechtigkeit. Ewig auf der Suche nach diesem Moment.
Und nur Ted Lupin konnte sehen, wie die blauen Augen den Schrecken sahen, die sie verbreitet hatten. Nur Ted Lupin konnte sehen, dass die Reue und der Schmerz, der schon seit einigen Jahren das Herz des Mannes ergriffen hatte, nun dieses komplett ausfüllten. Die blauen Augen waren nicht mehr kalt, nicht mehr bluthungrig. In ihnen spiegelten sich Kindheitsträume und der Wunsch nach dem Ende. Das Ende einer Generation.
„Ich schäme mich.“
Teddy trat vor ihn hin, den Gehstock in einer Hand, während er ihm die freie Hand reichte.
Das war er also. Der Moment. Die blauen Augen huschten von der ausgestreckten Hand hin zu den bernsteinfarbenen Augen und sie fühlten sich Jahre zurückversetzt. Die Nacht, die alles verändert hatte, brach über ihre Gedanken herein, wie der alte Mann die Hand von Ted Lupin annahm.
„Die Augen sind die deines Vaters...“
„Das Aussprechen einer Entschuldigung ist keine Demütigung, sondern ein Zeichen von Reife und Aufrichtigkeit, Mister Greyback.“
No one knows what it's like
To be the bad man
To be the sad man
Behind blue eyes[/center]