Unter dem Schein des Silbermondes
Noch etwas Zeit für unausgesprochene Worte
2. Kapitel – Noch etwas Zeit für unausgesprochene Worte
Irgendwo, vergessen von der Zeit und doch so real, dass es zur Wirklichkeit geworden war, an einen Ort, der doch so vertraut war, glitzerte silberner Sternestaub über den Köpfen der schlafenden Welt. Spärlich schien das Licht des Mondes, drängelte sich in einzelnen Strahlen durch einen dicht verhangenen, dunklen Wolkenschleier am nächtlichen Horizont. Das weite Land, durch das am Tag Wanderer ihren Wünschen und Interessen folgten, wohlmöglich auch nach einer reinen Macht suchten, die schier Göttliches verbarg, lag in der kalten Umarmung der ruhigen Nacht.
In dieser Nacht, welche seit so langer Zeit endlich in der friedlichen Harmonie einer süßen Melodie schwelgte, so schien es, ruhte zum ersten Mal die Geschichte der Streitigkeiten in den Schatten des Lichts, dort, wo einst das Verlangen zu Töten und der Geruch von Blut geboren wurde, im stillen Ausklang.
Die Zeiten des Unglücks, welche die Welt in die dunklen Tiefen der Hölle zu stürzen versucht hatten, waren gebannt, und der ewige Kampf zwischen Gut und Böse vorbei. Die dunklen Schatten der blutigen Tode, getrieben aus Hass und Zorn, waren am verwelken. Es war endlich vorbei und all boshafte Natur, die jetzt noch existierte, die würde sich weiterhin ihren Schicksal fügen, sich behaupten wollen und stets weiter nach einer Düsterkeit suchen, die schwärzer als ihre geraubten Seelen war… aber sie war keine so grausame Gefahr mehr.
An einen solchen Ort, den sie vor so langer Zeit nicht mal für möglich gehalten hätte, streckte das Mädchen ihre Hand nach den, in der Luft schwebenden und hellen Goldschimmer winziger Glühwürmchen aus. Sie wanderte durch das vom silbernen Mond sanft blau erleuchtete, hohe und feuchte Gras, fühlte seine Weichheit auf der nackten Haut ihrer Beine. An ihre Ohren drang das wilde und doch beruhigende Rauschen von herabfallendem Wasser, das ganz in ihrer Nähe in den kleinen Fluss zu fließen schien, an dessen Strömen orientierend, sie sich voran bewegte.
„Naja, er ist ein guter Kämpfer…“, erinnerte sie Mirokus Worte „und er… sieht doch auch gut aus. Oder nicht, Kagome?“
Nachdenklich, vielleicht auch aus einer nicht geahnten Nervosität zupfte sie ab und zu an den Enden ihres kurzen Rockes, zog an den dunkelgrünen Stoff und schwelgte dabei mit ihren Kopf in einer Welt gedanklicher und wirrer Kuriositäten.
Noch immer fühlte sie die Unruhe, welche ihr Herz in einen etwas weiter zurückliegenden Moment durch jede Faser ihres Körpers gejagt hatte, schwach pulsierten. Sie hatte die Spannung, die ungewöhnlich aufgeregten Gefühle, welche ihre Freunde in ihren Inneren haben aufleben lassen, nicht mehr länger ausgehalten gehabt und sich aus den hinterlistigen Aushorchungen des jungen Mönches und den neugierigen Ohren der anderen hinaus gewunden. Sie hatte frische Luft gebraucht, genug Raum zum Denken…
Diese warmen Gefühle… Kagome wusste, was sie zu bedeuten hatten, warum sie immer weiter in ihre geheimsten Gedanken vorandrangen. Auch wenn sie sich fragte, wie es hatte dazu kommen können, wie es möglich war, dass es passiert war. Denn ungeachtet ihres reinen Wesens, sie hatte es nicht bemerkt, wie ihr Herz sich heimlich immer mehr in die Träume einer traurigen Verliebtheit gehüllt hatte, es ein für eine lange Zeit unaussprechliches Glück herbeisehnte.
Schweigend schritt sie weiter, verspürte weder Furcht noch Angst, als sie hinein in die tiefe Dunkelheit des Waldes trat, die fast gänzlich den hellen Schein der himmlischen Gestirne verschluckte. So viele Empfindungen begleiteten diesen Augenblick, erzählten von einer Geschichte über Träume, grauenvolle Kämpfe und über Liebende, die es bisher nicht gab.
Es war etwas so kleines, und doch etwas so großes… von einer nicht in Worte zufassenden Schönheit, weder zu greifen, noch zu sehen und deshalb so unvorhersehbar, als dass sie es hätte ahnen können. Bis es auf einmal zu spät war…
Und trotz allem kostete ihre Macht so viel Kraft, so vielen Gefühle wurden wild durcheinandergewirbelt.
Da war ein wenig Angst, davor, er könnte sie zurückweisen. Der nötige Mut, den sie brauchte, um die Wärme und Nähe eines glücklichen Moments einzufordern, die sie so sehr wünschte. Und eine Hoffnung, er würde das Gleiche empfinden, das, was sie ihn ihren Herzen mit sich trug.
Er war ein Held und ein Verstoßener, zu einen unfreiwilligen Abenteurer geworden, der trotz seiner sonderbaren und einzigartigen Natur auch ab und zu Kampfeslust in seinen Augen trug. Das wusste sie, sie hatte so oft in ihnen gesehen. Als sie sich das erste Mal begegneten, da hatte sie sogar Angst vor ihm, für einen kurzen Augenblick hatte sie um ihr Leben gefürchtet. Er war damals tatsächlich sie zu töten bereit gewesen, hatte in den goldenen Tiefen seiner Augen eine solch unersättliche Gier nach Macht und furchteinflößende Begierde nach Kämpfen getragen. Doch… er hatte sich verändert.
Sein viehisches Grinsen war verschwunden, erlöst durch ein mildes Lächeln und das wahnwitzige Verlangen in seinem Blick einer Spur aus Wärme und Traurigkeit gewichen. Sie wusste, der Grund dieser Traurigkeit war in der Vergangenheit zu suchen, ein unleugbarer Teil seines Lebens, eine Tragödie, die sie nicht ungeschehen machen würde können.
Aber sie fürchtete sich nicht vor den Schmerzen seiner Vergangenheit, war bereit es mit ihnen aufzunehmen, die hinterbliebenden Narben zu heilen, so gut wie sie es konnte.
Ihre Schritte verstummten, unterbanden das weitere Geräusch von leise raschelndem Gras und der Blick ihrer braunen Augen richtete in die Höhe, auf eine verborgene Gestalt unter den Schatten von dichten Blättern. Silberfarbendes, langes Haar tanzte sacht in der Luft, als wollte es zur Erde regnen.
„Ich weiß doch, dass du mich längst bemerkt hast. Sag, willst du mir nicht vielleicht raufhelfen?“, fragte Kagome entgegen der Person, die auf den dickeren Ast eines großen Baumes saß.
Beiläufig strich sie einige schwarze Strähnen ihres langen Haares hinter ihr rechtes Ohr. Sie lächelte sanft, als sie einen leichten Windzug, ausgelöst durch eine flüchtige Regung des Inuhanyos, vernahm. Das ruhige Flattern seiner Kleidung hatte verraten, dass er von dem Ast aufgesprungen war, kurz bevor sie sehen konnte, wie er mit seinen nackten Füßen lautlos auf dem Boden aufsetzte.
„Was… was tust du zu dieser Zeit noch hier draußen, Kagome?“, hörte das Mädchen den jungen Mann sagen, war, selbst nach so langer Zeit immer völlig begeistert von den hundeähnlichen, süßen Ohren, die wie jedes Mal leicht zu zucken begannen, wenn er sich über etwas wunderte.
„Ich kann nicht schlafen…“, antwortete sie leise.
„Und… was ist mit dir? Warum bist du hier? Findest du etwa auch keine Ruhe, Inu Yasha?“
Sie sah, wie der junge Mann fast unauffällig zusammenzuckte, bemerkte, wie er seinen Blick von ihren Gesicht abwendete, so, wie sie bereits herausgefunden hatte, er das immer tat, wenn ihn irgendwas unangenehm war oder es etwas gab, das er vor ihr verbergen wollte.
„Die Nacht im Freien scheint mir nicht mehr das zu geben, was sie einst tat.“, meinte er jedoch nur, hatte seinen Blick weiterhin zur Seite gerichtet und spähte in die, sie umgebende Dunkelheit des Waldes.
Sie blickte ebenso ein wenig scheu weg, schaute zu den leicht wippenden, langen Grashalmen zu ihren Füßen, während sie erneut aufgeregt an ihren Rock rumzufummeln anfing. In den vergangenen Tagen hatte sie so viel nachgedacht… über sich selbst, ihn… sie wusste vor ein paar Tagen ja nicht einmal, ob sie lebend aus dem zurückliegenden Kampf gegen Naraku zurückkehren würden. Ob ihm oder ihr etwas hätte zustoßen können… doch…
Sie waren am Leben.
Aber möglicherweise war diese Nacht, der erste Moment der Ruhe nach so unglaublich ewiger Zeit zu nicht mehr bestimmt, als das zuversichtliche Warten auf den hoffnungsvolle Morgen, an dem alles immer noch so seien würde, wie es jetzt ist. Ein friedvoller Augenblick, der erst mit den ersten rötlichen Flimmern am erwachenden Horizont das grausige Heute der Vergangenheit vergessen wird.
Vielleicht war einfach nur noch etwas Zeit für einen Moment ungesagter Worte, nicht geahnte Gefühle… Zeit für einen fabelhaften Zauber, der den dunklen Wald in silberblaue Anmut tauchte, bewacht von den hellfunkenden und glitzernden Sternen über ihren Köpfen.
„Inu Yasha…“, erklang ihre helle Stimme, worauf der Angesprochene ihr wieder fragend seinen Kopf zuwandte.
„Was ist denn nun? Hilfst du mir rauf?“
Inu Yasha starrte sie unschlüssig an, reagierte erst, als sie nach seiner linken Hand griff, dessen warme Haut sie unter dieser Berührung spürte und dafür sorgte, dass unzählige, kleine Schmetterlinge ihre Flügel in ihren Bauch ausbreiteten und munter mit ihnen zu schlagen begannen.
„Na mach schon. Los, hopp, hopp.“, lachte Kagome fröhlich, und das süß flatternde Gefühl in ihren Bauch wurde belohnt.
Sei schrie überrascht auf, als sie plötzlich von starken Armen angehoben wurde und den warmen Leinenstoff seines roten Kariginu an ihren Körper fühlte. Ein kurzer, schwacher Luftzug streifte ihre Haut und sie hörte das verspielte Rascheln einiger Blätter und Äste.
„Sei vorsichtig.“, bat der Inuhanyo und ging in seine Knie, worauf Kagomes Hände nach einen Halt an der kalten Rinde eines dicken Baumstammes suchten und sie ein kleines Stücken auf den Ast, auf welchen Inu Yasha sie gebracht hatte, zur Seite rutschte.
Sie lehnte sich ein kleines bisschen vor, ließ ihren faszinierten Blick über die Schönheit eines beeindruckenden Naturbildes schweifen. Auf den reinen Wasser des Flusslaufes unter ihren Füßen schimmerte der reflektierte Glanz der Sterne und im den silbernen Schein des Mondes schwelgte verträumt das wunderschöne, goldene Licht unendlich vieler