Unter dem Schein des Silbermondes
gelegt. Diese kleine gehauchte Berührung war schon so viel, bedeutete so viel mehr für sie, als einfache Worte jemals ausdrucken könnten. Auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie diesen flüchtigen und märchenhaften Augenblick wohlmöglich bereuen würde, traute sich nicht ihre Augen zu öffnen… fürchtete sich vor der Reaktion des junges Mannes.
Sie spürte, wie ihr Herz ihr mit jedem Schlag wild gegen ihre Brust hämmerte, die lieblichen Impulse, die es ihr mit jedem Takt durch jede Faser ihres Körpers jagte. Auf ihre linke Schulter legten sich zögernd die Krallen des Inuhanyos. Und dann geschah es, das womit sie nicht gerechnet hätte… das, wovon sie schon so lange geträumt, was sie für so lange Zeit nie für möglich gehalten hatte. Verblüfft schnellten die Lider ihrer Augen nach oben, so überraschend, so unfassbar war der Moment, als die Lippen des jungen Mannes sich sanft tanzend über ihren verschlossenen Mund zu bewegen anfingen, mit einer süßen Geste einen zarten Kuss gegen ihre eigenen Lippen hauchte.
Dieses Gefühl, die Berührung ihrer Lippen… das war alles, was sie sich je vorzustellen, je erhofft hatte.
Ihre rechte, bisher auf seiner Wange still ruhende, Hand wanderte beiläufig von seinem Gesicht über die Haut seines Halses, bis zu der Stelle, wo sich unter der nassen, im Wasser herum wippenden Kleidung, sein Herz befand. Kagome fühlte seinen schnellen Herzschlag, der sie ungemein irritierte. Inu Yashas Herz schlug so schnell, so ohne Rast und hämmerte so stark gegen die Innenfläche ihrer Hand, als ob es jeden Augenblick zerspringen wollte.
Nur widerwillig löste sie sich von den Lippen des Inuhanyos, ließ diese wunderschöne Berührung ihrer Seelen in den vergänglichen Fluss der Zeit übergehen, sie zu einer Erinnerung werden, die sie selbst jetzt, so kurz danach, noch immer nicht für wahr halten wollte. Sie war seinem Gesicht noch immer so unglaublich nah, verlor sich ganz und gar in den goldenen Glanz seiner Augen. Die Hand auf ihrer Wange verließ ihr Gesicht, fuhr mit einer gleitenden, sich von ihr entfernenden Bewegung durch die fließenden Strähnen ihres langen Haares.
Dann sah sie sie, die klitzekleinen Luftbläschen, die von ihren beiden Mündern an die stille Oberfläche stiegen, sie daran erinnerten, wo sie sich überhaupt befanden…
Heftig nach Luft schnappend, stieß sie mit ihren Kopf durch die Wasseroberfläche, die mit plätschernden, an sie schlagenden, kleinen Wellen ihren Körper umschloss.
„Inu Yasha?“, krächzte sie unsicher, spürte ein unangenehmes Kratzen in ihren verbrauchten, noch immer wild nach Luft rufenden Lungen aufsteigen.
Mit lauten Gluckern und den Plätschern unzähliger Wassertropfen, die das Mädchen direkt in ihr sowieso schon nasses Gesicht trafen, sah sie den jungen Mann auftauchen. Wie ein in Wasser gefallener, kleiner Hund schüttelte der Inuhanyo seinen Kopf und schüttelte sträubend das nasse und flüssige Element aus seinen silbernen Haaren.
„Wa… was war das…?“, hörte sie ihn verwirrt sagen.
„Tu- tut mir leid…“, antworte Kagome leise, fühlte wieder dieses unerträgliche Gefühl, die Angst noch immer abgewiesen zu werden können, in ihren Inneren erwachen.
„Was…? Nein, das ist nicht dein Ernst…“, flüsterte seine Stimme leise, trug Enttäuschung und Entsetzen mit sich und Kagome glaubte zu spüren, wie ihr Herz, ihr ganze Innere Welt sich bei ihren Erklingen schmerzhalft zusammenzog.
Ihr Blick wanderte von dem wippenden Abbild ihrer selbst in die Höhe, entlang an der tropfenden Kleidung des jungen Mannes, bis zu seinem Gesicht. Noch immer konnte sie ihn sehen, den dunklen Schatten in den goldenen Tiefen, den trüben Glanz, der ihr Herz nach wie vor in zwei zu reißen versuchte. Der Schatten, mit welchen der Inuhanyo sich bereits in seiner frühen Kindheit von den Menschen, und jeden, der ihn zu lieben fähig sein könnte, abgeschirmt hatte. Und nun… würde er jetzt auch sie von ihm fernhalten? Ihn schützen? Vor ihr und ihren Gefühlen… ihrer Liebe?
„Tut mir leid, Inu Yasha… Ich…“
„Nein...“, hörte sie ihn sagen, leise, fast bittend, was sie verwundert ihre Augen weit auseinanderreißen ließ.
„Nein.“, sagte er ein weiteres Mal und sie sah, wie der junge Mann sich zu bewegen anfing, zögernd durch das Wasser, welches sich immer wieder in sanften Wellen von seinen Körper stieß, auf sie zuging.
„Bitte sag nicht, dass es dir leid tut…“
Und die nächste Regung des Inuhanyo war eine so für das menschliche Auge so unvorhersehbare, hastige Handlung, dass das Mädchen vor ihr beinahe erschrak. Seine Bewegung war so willkürlich, so schnell, dass sie ungewollt zusammenzuckte, als sie merkte, wie zwei starke Arme sich völlig überraschend um ihren Körper schlossen, sie seine Nähe schon fast direkt auf ihrer Haut spüren konnte.
„Bitte sag nicht, dass das, was ich gerade gespürt habe… nicht echt war…“, hörte sie seine leise säuselnde Stimme, die zusammen mit seiner warmen Nähe, ihren Puls hetzender werden ließ.
„Inu Yasha…“, murmelte sie, war wie verzaubert von seinen Worten, so erstaunend über seine plötzliche, einfühlsame Umarmung.
„Ich kann nicht mehr ohne dich sein…“
Geschockt über die Worte, die wie eine atemberaubende, unwirklich Melodie zu ihr durchdrangen, stolperte Kagome einen taumelnden Schritt zurück. Mit so viel Gefühl, einer traurigen Anklage und lieblicher Zuneigung zugleich, und doch so federleicht, so schön war der Klang, der mit einen wohligen Kribbeln in ihren, sich verzerrenden Inneren verklang. Ein Hauch von Wärme, der ihr gegen die kalte und nasse Haut ihres Halses schlug.
„Damals… als alles begann, ich aus meinen Schlaf erwachte und wir uns zum ersten Mal begegneten…“, hörte sie ihn wieder sagen, so gefühlsvoll, leicht stockend und trotzdem irgendwie ungezwungen.
Sie vermerkte eine sanfte Regung seines Kopfes, wie er sich ein wenig erhob und die Atemstöße gegen ihre Haut verebbten.
„Ich war die ganze Zeit auf der Suche nach etwas, das ich für so lange Zeit nicht definieren konnte. Und ich dachte, ich würde herausfinden was mir fehlt… ich würde schon irgendwann dahinterkommen.“, hörte sie ihn sagen, fühlte sich nach wie vor wie betäubt von seinen Worten.
„Bitte bleib…“, bat der junge Mann. „Ich bitte dich, bleib an meiner Seite… Ich habe endlich verstanden, dass das, was ich so lange suchte… dass ich es schon längst gefunden habe. Dich..“
Zufrieden schloss Kagome die Lider ihrer Augen, fühlte sich so schwach werden, kämpfte gegen das schwindende Gefühl, das nachgebende Verlangen in ihren Beinen an.
„Ich will dich nicht wieder verlieren…“, lauschte sie seinen ehrlichen Worten, der Wahrheit, die nicht mehr länger bereit war sich verschmähen zu lassen, nicht mehr länger betrügen ließ, sowie die Zeit, dessen Gesetze schon so oft ihre Bedeutung verloren hatten.
„Du wolltest doch vorhin von mir wissen, was mich bedrückt…“
Die linke Hand des Inuhanyo wanderte zaghaft über den nassen, an ihren Körper hafteten, weißen Stoff ihrer Bluse, streichelte über ihren Rücken und legte sich schwach klammernd auf ihre durchweichten Schulter. Zögernd wich das Gefühl der Wärme und verwundert schoben sich die dunklen Schatten ihrer Augenlider aus ihrem Sichtfeld, als sie merkte, dass Inu Yasha sich ein kleines Stücken von ihr entfernt hatte.
„Nun weißt du es.“, hörte sie ihn leise sagen, fast flüstern und ihr Blick glitt ein wenig in die Höhe, ließ sie überrascht, ja schon leicht geschockt über den fremden, aufgeregten, unsicheren und unruhig schimmernden Schein in den sonst so tristen, tiefen Augen des jungen Mannes, die Innflächen ihrer beiden Hände vor ihren Mund führen…
Er fühlte sich so lebendig und gleichzeitig so schwach…
Der junge Mann unterlag so plötzlich den Drang einfach nur mit seinen Knien nachzugeben, sich vor sie hinzuwerfen, ihr seine innere Welt, seine tiefsten Geheimisse zu offenbaren. Er wollte sie berühren und nie wieder gehen lassen. Er brauchte sie… jetzt… schon immer und jeden Moment, der noch kommen würde.
Doch besonders jetzt, in diesen Augenblick voller Unsicherheit und Verletzbarkeit, den Moment, an welchen er sich menschlicher fühlte als je zuvor in seinem Leben. Gerade jetzt, in der Vergänglichkeit dieses Augenblicks, in dem das beruhigende Licht des silbernen Mondes zur Erde glitt und das liebliche Wesen vor ihm in atemberaubende Schönheit tauchte. Kagomes feuchtes, schwarzes und langes Haar schimmernde blau unter der Anmut des wandernden Scheines und der sanfte, kalte Wind trug ihren wohl Duft kitzelnd an seine Nase. Und immer wahnsinniger, immer drängender wurde seine Ungeduld auf ihre Reaktion.
Inu Yasha seufzte angesichts ihrer Regungslosigkeit und er hatte das Gefühl, dass er sie auf der Stelle wieder in seine Arme ziehen musste, damit sie verstand. Fühlte den Zwang, sie augenblicklich küssen zu müssen, nur damit sie verstand… dass er sie liebte.
Alles war besser als dieses, sein Herz zerfressendes Schweigen…
„Ich liebe dich…“, formten seine Lippen diese drei Worte, schickten sie mit einem unglaublich melodischen und gefühlsvollen Klang durch die Dunkelheit des Waldes.
„Und es liegt bei dir, was du mit diesem Wissen anstellst.“, setzte er hinzu, seine Worte nicht mehr als ein Flüstern, während seine Augen sich vorsichtig schlossen und er seine beiden Hände von dem Mädchen löste und haltlos an seinen Seiten herunter gleiten ließ.
Seine ganze Existenz, sein ganzes Dasein sehnte sich nach der Nähe dieses Mädchens, den Gefühlen, die es nur mit seiner bloßen Anwesenheit in ihm auslöste und den der Inuhanyo so restlos verfallen war. Er hatte sein Herz an Kagome verloren…
„Inu Yasha…“, hörte er endlich ihre süße Stimme sprechen und er öffnete sofort