Fanfic: Blood, Tears and Diamonds

meine Hand massiere und den Typen, Xian, nicht aus den Augen lasse, wendet sich dieser an meinen Fahrer, den ich bis dahin schon ganz vergessen hatte.

„Vivaldi, wären sie so freundlich, Mademoiselle Carpulettes Gepäck in ihr Apartment zu bringen?“

Oh, ich hab ein eigenes… Stop!

„Das wird nicht nötig sein!“ rufe ich schnell und renne zu meinem Koffer hinüber, „Ich habe nicht vor, zu bleiben!“ Xian zieht eine schmale dunkle Augenbraue hoch.

Na super. „Es ist nämlich so…“ Ich schaue verlegen zur Seite, „Ich werde einen Antrag schreiben, dass ich wieder nach Hause gehen kann. Zu meiner Tante.“

Das ist eine Lüge. Natürlich gehe ich NICHT zurück zu meiner Tante, aber so komme ich wenigstens (wenn alles klappt) nach Blanca Venezia, und damit zu Mii, zurück, „Es ist also wirklich nicht nötig mein Gepäck irgendwohin zu bringen!“

---------------------------------------------

Das Büro der Schulleiterin ist ziemlich modern, sogar für das Jahr 2111 nach Armageddon. Fasziniert von den Farbkombinationen um mich herum (allein die Möbel weisen mindestens zwölf verschiedene Schwarztöne auf!) lasse ich mich zögernd auf dem weichen, roten Sessel nieder, der mir von Xian angeboten wurde. Er ist gerade dabei, Kaffee zu kochen. Mein Blick schweift von den merkwürdigen Geräten auf den einzelnen Tischen zu den Bildschirmen an den Wänden, die an Glasscheiben erinnern. Ein leises Ticken erfüllt den Raum. Es erfüllt mich mit einem vertrauten Gefühl, und irgendwo in mir beginnt sich Etwas zu regen. Eine Erinnerung…?
Ich will gerade herausfinden, woher dieses Geräusch kommt, als sich mir gegenüber jemand räuspert. Ertappt fahre ich zusammen.

Ramona Blanchett ist eine junge, rothaarige Frau mit großen, braunen Augen. Und ich muss zugeben: Sie ist bildschön. Dennoch. Etwas ist merkwürdig.

„April,“ sagt sie freundlich und ihre rotgeschminkten Lippen lächeln, ein warmes, mütterliches Lächeln – zumindest versucht sie es, „Schön, dass du endlich da bist. Groß bist du geworden!“

Sie betrachtet mich von oben bis unten. Doch als sie meinen verwirrten Blick bemerkt, stutzt sie. Mehrere Gefühle huschen über ihr junges Gesicht, Verwirrung, dann eine Erkenntniss und schließlich Enttäuschung verzerren ihre zarten Gesichtszüge.

„Natürlich, du kannst dich ja an nichts erinnern!“ murmelt sie, ihre Augen fixieren mich nachdenklich.

„Tut mir leid,“ warum fühle ich mich jetzt bitte so schlecht?

Ramona nickt nur, „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, April!“ jetzt lächelt sie wieder – Moment, sind das da Schuldgefühle in ihren Augen?

Irritiert beobachte ich sie, wie sie sich zurücklehnt und gedankenverloren eine Haarsträhne um ihre schlanken Finger wickelt. Genau wie ich, wenn ich nachdenke… Ich schüttele energisch den Kopf. Zwei Tassen Kaffe werden vor uns abgestellt.

Xian lächelt mir aufmunternd zu, „Bitte schön.“ Dann nickt er der Schulleiterin zu und verschwindet durch eine Tür auf der anderen Seite des Raumes.

„Wo geht er hin?“ frage ich, plötzlich nervös. Jetzt bin ich allein mit dieser Frau.

„Seinen kleinen Bruder begrüßen, denke ich,“ antwortet Ramona und lässt von der Locke, die sie gerade zwischen den Fingern hatte, ab.
„Also, April. Bevor ich dich in dein Apartment entlassen kann, müssen wir einen kleinen Test mit dir machen, um zu sehen, wer du…“

Ich unterbreche sie damit, dass ich aufspringe.

„Stop! Ich habe nicht vor, hierzubleiben!“

Sie sieht mich ungläubig an.

„Erm, ich meine,“ ich setze mich wieder, „Ich werde wieder nach Hause gehen.“

Ramona beugt sich vor, stützt die Ellenbogen auf der Tischplatte ab und verschränkt die Finger ineinander.

„Soso, du willst also wieder nach Hause. Und wie gedenkst du, wieder nach Blanca Venezia zu kommen? Willst du einen Antrag an die Himmlischen schreiben?“
Sie lacht auf, „April, wie kannst du denken, dass sie dich wieder zurücklassen?“

Irgendwie wurde sie mir langsam unsympathisch.

„Ich bin keine Bedrohung oder so,“ meine ich gereizt, balle die Hände zu Fäusten.

„Ach nein?“ sie zieht, genau wie Xian vorhin, eine Augenbraue hoch. Dann öffnet sie mit einem spielerischen, eleganten Fingerschnippen einen Hologrammbildschirm auf ihrem Schreibtisch. Auf der Datei steht mein Name.

„21. Juli, 2109. Angriff auf einen Mitschüler vor aller Augen auf dem Schulhof. Der Angegriffene wurde mit Bisswunden und hohem Blutverlust ins Krankenhaus eingeliefert.“

Sie sieht mich an, in ihren Augen liegt etwas höhnisches, etwas provozierendes.

„10. Dezember, 2109. Bei einem Streit mit der Tante ausgerastet. Tante, Vera Carpulette, wurde schwerverletzt in die Notaufnahme eingeliefert, konnte eine Woche später aber wieder entlassen werden.

1. Januar, 2110. Nach einer Party, von der April betrunken nach Hause kam, wurden bei mehreren Jugendlichen Bisswunden festgestellt, in denen die DNA der Obengenannten enthalten war.

31. Mai, 2110. Nach einem Streit mit dem festen Freund, Innocence Grey (kurz Jace), stellte dessen Hausarzt tiefe Kratzer an Rücken und Arm, sowie mehrere Bissspuren an Hals und Oberkörper fest.

9. Juni, 2110. Nach der Trennung von Innocence Grey (kurz Jace) gab es, laut Tante, mehrere Selbstmordversuche sowie Selbstverletzung seitens April.

18. Juni, 2110. Nach einer Nacht, in der sie nicht nach Hause kam, stellte sich heraus, dass sie bei besagtem Ex-Freund war, welcher weitere Kratzer und Bisse aufwies.“
Wieder so ein Blick.

„1. Juli, 2110. Nach der zweiten Trennung von Innocence Grey (kurz Jace) wurde April…“

„Hör auf!“ Ich stoße meinen Sessel um. Mir ist schrecklich heiß, meine Hände zittern, „Aufhören!“ Tränen der Wut brennen in meinen Augen, als ich sie zornig anfunkele und mir wünsche, meine Blicke könnten töten.

Aber die Schulleiterin sitzt, immernoch quicklebendig, in ihrem roten Sessel und sieht mich an, seelenruhig.

„Siehst du?“ sagt sie und steht ebenfalls auf, „Du kannst nichtmehr nach Hause. Es wäre für dich, und deine Mitmenschen, viel zu gefährlich. Vorallem für dich.“

Ich kann sie nur anstarren.

„Das… das stimmt nicht. Ich könnte Mii nie… niemals könnte ich sie…“ Ich breche ab, Tränen laufen mein Gesicht entlang, hinterlassen heiße Spuren auf meiner glühenden Haut.

„April,“ Ramona kommt um den Tisch herum und legt mir eine Hand auf die Schulter. Sie zittert. „Ich kann dir versprechen, dass…“ Ich reiße mich los. Ihre Berührung widert mich an.

„Ich werde den Antrag trotzdem stellen!“ zische ich und drehe mich auf dem Absatz um. Sie versucht mich festzuhalten.

„April, bleib!“

Einen Moment zögere ich, aber dann stürme ich los. Bloß weg von dieser Frau, weg von dieser verfluchten Datei, weg von mir…
Und dann stehe ich draußen und hinter mir fällt die Tür mit einem lauten Krachen ins Schloss.

Jetzt brauche ich erstmal eine Zigarette.
Suche
Profil
Gast
Style