Im Schatten der Zukunft
seiner Brust und ein kalter Schauer aus Wut, Selbsthass und Trauer fuhr ihm durch den ganzen Körper, während er sich noch immer weiter aufzurichten versuchte. Sein Inneres schien sich gerade zu überschlagen. Er fühlte sich auf einmal unangenehm schwach, als ihm seine Erinnerungen seine Fehler und sein Versagen aus vergangenen Tagen auf einmal wieder vor seine Augen führten. Und das gefiel ihm nicht. Es behinderte und brachte nur Schwierigkeiten, sich von irgendwelchen Gefühlen zu sehr beherrschen zu lassen. Doch er konnte nichts gegen tun. Er fühlte sich schuldig. Schuldig gegenüber Yul… Serah… und auch Lightning. Er hatte sie alle drei enttäuscht, und zwei von ihnen konnte er nicht beschützen. Er hatte versagt… und vielleicht fiel es Lightning gerade deswegen nicht besonders schwer ihn zu töten, sollte er ihr dazu die Gelegenheit bieten. Ganz ihm Gegensatz zu ihm. Er wollte die junge Frau nicht töten, verfluchte die prophezeite Zukunft, die Aufgabe, welche sie ihm auferlegte. Den Traum, jenen er um alles in der Welt einfach nicht aufgeben konnte…
Er stand sich selbst im Weg. So konnte er aus diesem Kampf nicht als Sieger hervorgehen.
Der junge Jäger rappelte sich noch weiter auf, schüttelte kaum merklich seinen gesenkten Kopf. Doch er musste es schaffen. Er durfte jetzt doch nicht so einfach aufgeben. Nein, er musste es schaffen… irgendwie…
„Du bist nicht wie ich, Noel.“, horchte er aufmerksam den Worten, welche Lightning ihm zusprach, fand letztlich auch wieder den Mut, seinen Blick zu heben und der jungen Frau ins Gesicht zu sehen.
„Du bist anders. Selbst wenn es um die Zukunft oder ein Wiedersehen mit Yul geht.“
Er verfolgte die Schritte, mit welchen Lightning sich ihm immer mehr näherte, doch dann blieb sie plötzlich ein paar Meter vor ihm stehen.
„Du hast es nicht in dir, mich zu töten.“, sagte sie dann, zaghaft, und er zuckte leicht zusammen und ein schwacher, kaum hörbarer Laut verließ seinen Mund, als er ihren sanften, gefühlsvollen Blick auf seiner Gestalt ruhen spürte, ihre Worte nachspürte.
„Du bist noch immer menschlich.“
Er merkte, wie sein Blick sich änderte, Unsicherheit und Zweifel sich schleichend in seinen meeresblauen Augen zeigte. Lightnings Worte ließen ihn nicht unberührt, er konnte sie einfach nicht ignorieren und es war, als wurde auf einmal etwas über ihm zusammenbrechen. Weitere Erinnerungen, verschwommene Bilder schlugen auf ihn ein und nahmen nach und nach Formen an. Er sah Personen… Menschen, die ihm wichtig waren, die ihm nahe standen, die ihm vertrauten…
Yul… Caius… Serah… er wollte keinen von ihnen verlieren, doch letztlich konnte er es doch nicht verhindern. So gesehen war Lightning der einzige Freund, den er noch nicht an das Chaos verloren hatte. Und trotzdem standen sie sich nun gegenüber, würde er auch sie verlieren…
„Du hast einst einen Freund getötet, um die Welt zu retten. Aber das schaffst du nicht noch einmal.“, riss die junge Frau ihn auf einmal wieder aus seinen Gedanken und er sah erschrocken auf.
„Oder? Ich weiß, dass ich recht habe. Ich sehe es in deinen Augen.“
Erneut stieß Noel einen entsetzten, doch diesmal vernehmbaren Laut aus. Er wurde nervös, wollte es verbergen, doch gelingen wollte es ihm nicht. Anderseits wusste er, dass er der jungen Frau nichts vormachen konnte. Sie lass offen ihn ihm, aus seinen Augen, seinen Verhalten, ja, wahrscheinlich sogar aus seiner Atmung und er konnte nichts dagegen unternehmen. Das machte ihn auf sich selbst wütend und er fühlte ein leicht brodelndes Gefühl in sich aufsteigen. Und zum ersten Mal nach etwas längerer Zeit erhob er wieder das Wort.
„Du denkst, ich würde dir nichts antun? Bist du dir da sicher?“, entgegnete er mit lauter, aufgeregter Stimme und bemerkte, wie für einen kurzen Augenblick sich eine Spur von Verwunderung in den Augen der jungen Frau zeigte.
„Nein, aber die Uhr tickt, und ich habe noch viel zu erledigen, bevor die Zeit dieser Welt ganz abläuft.“
Sie machte einen kleinen Schritt auf ihn weiter zu, hob das Schwert in ihrer rechten Hand ein wenig an.
„Stell dich mir nicht in den Weg, Noel. Du magst noch Skrupel haben, aber ich nicht.“, meinte sie, bewegte sich mit langsamen Schritten immer mehr auf ihn zu und mit jeden Schritt, den sie tat, hob sie die seitlich gestreckte Klinge ihres Schwertes ein Stückchen an.
„Nicht mehr.“
Und der junge Mann versuchte das unangenehme, prickelnde Gefühl der Gänsehaut zu unterdrücken, die sich soeben auf seiner Haut ausbreitete. Hielt die Klingen seiner beiden Schwerter schützend vor seinen Körper, während er sah, wie sie sich ihm immer weiter näherte. Doch dann ließ er seine Waffen ruckartig wieder sinken, sah, Wut und Verzweiflung in sich tragend, Richtung Boden. Er wollte das nicht. Er wollte diese Frau nicht töten.
„Verdammt, Lightning. Ist das alles, was von dir noch übrig ist?“, fluchte er, fühlte sich einfach nur noch überfordert.
Es gab nichts, was er gegen das Sträuben tun konnte und er fühlte sich hilflos. Doch wusste er, wenn er jetzt aufgab, dann gab es keine Zukunft für Yul… und für ihn. Was sollte er nur tun?
Voller Panik starrte Noel in das Gesicht seiner Widersacherin, suchte vergeblich in den eisblauen Augen nach einem warmen Hauch, dem Mitgefühl und der leichten Trauer, die sie so oft schon in ihnen trug. Nur konnte er nichts davon ihn ihren Blick mehr erkennen.
„Ganz recht. Um Serah zu retten, gebe ich alles auf. Ich spiele sogar Gottes kleine Marionette. Und niemand kann mich von meinem Weg abbringen, nicht einmal du.“
Ein unangenehmes Kribbeln erfasste den jungen Jäger. Er hatte damals Caius, seinen Freund, den einzigen Menschen, den es neben ihn noch in seiner Zeit gab, umgebracht, nur um diese, ebenso dem Untergang entgegensteuernde Welt zu retten. Heute erschien ihm sein Opfer nur noch wie ein schlechter Witz und vom Schicksal verpönt. Am Ende hatte er es nicht einmal gewollt. Und irgendwo in ihm existierte dieser Teil, der niemanden verletzen wollte, noch immer. Wegen ihm war er am verlieren…
„Sag mir Lightning… was würdest du an meiner Stelle tun?“, flüsterte er leise, seine Worte nicht mehr als ein schwacher Hauch, sodass sie die junge Frau nicht erreichten und nur er sie in seinem Kopf nachklingen hören konnte.
Sein Blick haftete auf den scharfen Stahl der Klinge, die Lightning erhoben über ihren Kopf in der Luft hielt.
„Du suchst nach Yul? Dann finde sie im Tod!“, Noels Augen weiteten sich vor Schock, als er die Klinge seiner Gegnerin auf ihn niederrasen sah und er brachte einen erstickten Ton hervor.
Instinktiv riss er seinen rechten Arm in die Höhe, wollte den Schlag nur irgendwie parieren und klirrend traf die Schneide seines Schwertes auf die der jungen Frau. Er hatte alle Kraft in den abwehrenden Hieb gesteckt, so dass es ihm gelang Lightning Versuch, ihn zu töten, zu vereiteln.
„Ja, ich werde sie finden.“, hauchte Noel in kurzen, schnellen Atemzügen und Lightning, machte, über seinen plötzlichen, nicht so stark erwarteten Widerstand, einen kleinen Sprung nach hinten.
Langsam sanken seine Arme hinab und die Stahlklingen in seinen beiden Händen kratzten mit einen unangenehmen, kratzenden Geräusch über den harten Steinboden.
„Darauf kannst du Gift nehmen.“
Der junge Jäger konnte Lightnings Blick auf sich spüren, wie die junge Frau ihn einfach nur kurz erstaunt ansah, ja, er hatte sogar vernehmen können, wie sie bei seinen Worten leicht zusammengezuckt war, was ihn insgeheim leicht schmunzeln ließ, während er den Griff seiner beiden Hände auf einmal um den Heften seiner Schwerter lockerte, bis jene mit einen klirrenden Geräusch zu Boden fielen.
So stand er der Erlöserin also wehrlos gegenüber, und trotzdem… sie zögerte. Das war ihre Chance, es würde ihr nicht viel Mühen kosten, ihn jetzt einfach zu töten. Doch das tat sie nicht. Und innerlich atmete er erleichtert aus. Denn er würde nicht so einfach aufgeben, auch wenn er nicht wusste, wie er sich aus dieser Lage, seinen Zwiespalt, befreien sollte. Er brauchte einen Plan, denn…
Er wollte Yul wiedersehen, ja, aber gleichzeitig wollte er nicht für Lightnings Tod verantwortlich sein. Er würde nicht kämpfen, zumindest nicht so, wie es von ihm verlangt wurde… und es vielleicht irgendwo einen leisen Funken Hoffnung auf eine andere Weise der Erfüllung der Prophezeiung gab. Er musste ihn nur finden… irgendwie… Doch dafür musste er leben.
„Yul und ich, wir werden beide leben… in einer gemeinsamen Zukunft, die ich ermöglichen werde. Ich werde es schaffen.“, meinte er und blickte direkt in die überraschten, eisblauen Augen Lightnings.
Noel schluckte nervös die Luft in seinen Lungen hinunter, während er sich mit langsamen, vorsichtigen Schritten auf die junge Frau ihm gegenüber zubewegte. In den letzten Minuten, während des Kampfes war ihm etwas klar geworden; er konnte Lightning nicht töten, nicht so…
Keine Waffe, Worte oder auch Gefühle konnten der jungen Frau etwas anhaben, nicht mehr. Was auch immer dazu nötig war, Angst oder gar Zweifel, sie hatte all das vor schon langer Zeit verloren. Hatte sie selbst im ewigen Kampf gegen das Chaos, den Tag, an dem sie sich das erste Mal begegneten, keines dieser Hindernisse zugelassen gehabt. Sie war weder antastbar, noch verwundbar… vielleicht war sie gar schon… zu perfekt? Tatsächlich kein Mensch mehr…
Doch Noel musste zugeben, diese Art, Lightnings unerschütterlicher Mut und unglaubliche Kraft hatten ihn schon damals sehr fasziniert, hätte nie gedacht, dass eine einzelne Frau so stark sein konnte. Dass jemand, der nichts mehr besaß, als die Loyalität zu ihren Freunden und der Liebe ihrer Schwester, so sehr und unbeugsam, dem Schicksal zu trotzen fähig war. Seine Bewunderung hatte ihn sich seit jenem Tag wie ein unscheinbarer