Fanfic: Berührungen ½ [Teil 2]
Vater ohne seine Einwilligung einst verlobte hatte. Er wusste von ihrem unerschütterlichen Mut, wenn sie auch mit wachsender Zahl an Feinden immer wieder die Kämpfe verloren hatte; sie gab nie auf, ja sie schwächelte nicht einmal. Ranma begann zu verstehen. Dieses Gefühl in seinem Bauch war nichts anderes als die brennende Sehnsucht nach diesem einen Menschen, den er einst als schüchterner Rotschopf kennengelernt hatte und von dem ihm aus tiefstem Herzen eine Freundschaft angeboten wurde. Ganz tief in sich bewahrte er die Erinnerung an jenen Tag auf, an dem er mit seinem Vater in das Leben der Tendos eindrang. Und wenn er ganz sicher ist, dass weit und breit niemand da ist, der ihn durchschauen könnte, lehnt er sich zurück und denkt mit einem Lächeln an die mitunter kostbarsten Erinnerungen seines Lebens zurück. "Wollen wir Freunde sein?" fragte ihn das fremde Mädchen und legte vorsichtig ihre sanfte Hand auf seine Schulter. Durch die hektischen Umstände hatte er vorher keine Zeit gehabt, die Bewohner des Hauses genauer zu betrachten. Aber als er diese freundliche, süße Stimme hörte, die ihm so viel Wärme an einem kalten, regnerischen Tag schenkte, drehte er sich langsam zu ihr um. Und als er in ihre tiefen, schokobraunen Augen sah, von so langen, dichten Wimpern gerahmt, die wie Sterne im Glanz ihres strahlenden, wenn auch nur leichten Lächelns, funkelten, wusste er, dass sich etwas verändern würde. Er konnte zu jenem Zeitpunkt noch nicht sagen, was es war, doch er spürte, dass dieser Mensch sein Schicksal beeinflussen sollte. Für das erste Mal in seinem ganzen Leben war er sprachlos. Vielleicht war es auch das Beste. Denn wenn ihm in diesen zärtlichen Sekunden irgendein Satz über die Lippen gekommen wäre, dann dass er sich fragte, wie viel schöner sie erst sein musste, wenn sie lacht. Er bedauerte es, dass dieses unglaublich süße Lächeln sich hinter einer so langen Haarpracht versteckte und wünschte sich, ihr die Strähnen aus dem Gesicht zu streifen.
"Ach Akane" seufzte er als er sich bei ihrem Anblick in seinen Gedanken verlor. "Du kannst so unglaublich süß sein." Er nahm einen tiefen Atemzug, als sich die Erinnerungen nach jenem Kennenlernen in seinen Sinn drängten. Die Akane, die ihn als Perversen, als Lüstling und Spanner beschimpfte. Die Akane, die ihn brutal mit einem Tisch niedergeschlagen hatte. Er runzelte die Stirn. "Sie war von Anfang an so. Sie schlug sofort zu, bei jeder Kleinigkeit." Er ging in Gedanken durch, was sie alles besonders aufregte und kam zu dem Schluss, dass er dann am meisten abbekam, wenn er sich über ihr Aussehen lustig machte. Heftig schüttelte er seinen Kopf. "Hat sie das denn wirklich verletzt? So dumm kann sie doch nicht sein. So etwas ernst zu nehmen... Weiß sie denn nicht wie schö..." Er bremste sich selbst aus Angst, er verliere sonst die Kontrolle über seine Gedanken, aus Angst, er würde dem unerwünschten Gefühl in seinem Bauch nachgeben und Akane alles gestehen, was ihn beschäftigt. Aber sie würde es nicht verstehen. Denn neben der Akane, die er schätzt und zu der es ihn immer wieder hinzieht, existiert noch eine andere Akane. Eine, die... ihn hasst. Sie hatte es oft genug gesagt und manchmal hallt dieser Satz noch in seinem Kopf, wenn er schläft.
Er war gerade dabei, von dem Ast, auf den er geklettert war, herunter zu springen, als er auf einmal bemerkte, dass ihr Atem schnell wurde und sie im Bett wild um sich trat.
***
Akane war todmüde in ihr Bett gefallen, sobald sie sich in der Dämmerung durchs Fenster in ihr Zimmer geschlichen hatte, um jede Spur ihrer Anwesenheit zu vertuschen. Sie hatte keine Ahnung wieso, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass Ranma sie suchen würde. Ob er etwas ahnte? Sie seufzte. „Auf Dauer wird das wirklich zu teuer.“ Ihr kam wieder in den Sinn, dass sie nach dem Verlassen der Schule einfach die nächstbeste Bahn genommen hatte und durch verschiedene Orte fuhr. Sie wusste, dass dies die einzige Möglichkeit war, um nicht sofort von irgendjemandem aufgespürt zu werden. „Ich muss mir etwas einfallen lassen. Es darf doch nicht sein, dass ich mich von so einem miesen Traum besiegen lasse. Ich bin schließlich Erbin der Tendo Kampfschule.“ Auch in ihr entfachte nun der Stolz eines Martial Artists. Sie hob den Kopf an und nickte zu sich selbst. „Keine Chance, dass ich mich davon unterkriegen lasse.“ Nun musste sie ein wenig grinsen. „Und so unsensibel wie Ranma ist, hat er doch morgen eh alles wieder vergessen.“ Damit tröstete sie sich und schlief sofort ein. Aber auch in dieser Nacht blieb sie nicht von verwirrenden Träumen verschont.
*~*~*~ Es war dunkel. Schlief sie noch? Alles, was sie hörte, waren zwei Stimmen. Die eines Jungen und eines Mädchens. Sie beide lachten vergnügt. Langsam öffnete sie ihre Augen. „Wo bin ich?“ fragte sie sich entgeistert und rieb sich ihre Augen, als sie sich auf einer Wiese unter freiem, azurfarbenem Himmel wiederfand. „Wer...?“ In der Ferne nahm sie zwei Gestalten wahr, die sich stritten, man könnte fast sagen, sie kämpften. Gerade jedoch dann, wenn sich der eine vom anderen abwandte, wurden ihm sehnsüchtige Blicke geschenkt. So lange bis sie wieder Blickkontakt aufnahmen und das Spiel umgekehrt weiter ging. Sie spielten Fangen oder so etwas und gaben vor, es unglaublich zu verachten, wenn sie vom anderen berührt wurden. Innerlich, das stand allem Äußeren zum trotz, war es jedoch klar, dass sie beide ihre Zeit miteinander genossen und sich nichts sehnlicher wünschten, als diese kostbaren Momente für immer zu bewahren. Sie versuchte ihren Blick zu schärfen bis die Konturen, die sie zunächst eher verschwommen wahrnahm langsam Form annahmen. Erschrocken fuhr sie hoch. „Aber-aber das bin ja ich!“ stellte sie außer sich fest. Sie erkannte, dass der Junge Ranma war. Er trug sein rotes Shirt, das er aus China mitgebracht hatte und sprang munter umher, während sie selbst... naja, ihr Double alle Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Die andere Akane hatte noch langes Haar, was in den hin und wieder leicht aufkommenden Brisen geschmeidig in ihr Gesicht wehte.
Etwas kritisch betrachtete sie ihr anderes Ich, das in ihrer alten Turnhose gekleidet war und sprach nach einer Weile leicht schmollend zu sich selbst: „Ich weiß gar nicht, was dieser Trottel überhaupt hat. So breit sind meine Hüften doch gar nicht.“ Es war das erste Mal, dass sie das feststellte. Eigentlich war es das erste Mal, das sie überhaupt ernsthaft darüber nachdachte. Bisher hatte sie Ranmas Worten stets blind geglaubt. Ihr fiel nicht ein, warum er denn sonst so etwas sagen sollte.
Auf einmal warf Ranma einen Ball, den die andere Akane mit einem hohen Sprung elegant auffing. „Ich hab ihn!“ rief sie lachend. Ranma errötete.
Akane runzelte verwundert die Stirn. „Was hat das zu bedeuten?“ sagte sie laut vor sich hin. „Irgendwie kommt mir das bekannt vor.“
„Das sollte es auch“, hörte sie Ranmas Stimme plötzlich sagen. Er hockte sich lächelnd neben ihr ins weiche Gras. Auch er verfolgte nun das Geschehen. Die andere Akane lachte vergnügt weiter, während der andere Ranma sie errötend beobachtete.
„Was soll das alles?“ fragte sie schließlich den „echten Ranma“ neben sich.
Er schloss seine Augen kurz und ließ seinen Kopf sinken. Dann schaute er den beiden weiter beim Spiel zu und sagte: „Wir hatten Sport an diesem Morgen. Du spieltest mit deinen Klassenkameradinnen Baseball, während wir Jungs Leichtathletik hatten.“
Akane schaute ihn verwundert an. „Ja... aber... Was ist denn daran so besonders? Wieso sollte ich mich daran erinnern? Wir spielen doch oft Baseball und ihr Jungs macht kaum etwas anderes als Leichtathletik.“
Ranma fiel ihr mit einem Funkeln in den Augen ins Wort: „Schau, jetzt!“
Akane richtete ihren Blick nichts verstehend zu ihrem anderen Ich, das lachend am zweiten Ranma vorbeiging und wandte sich dann fragend ihrem Nebenmann zu.
„Ich verstehe nicht...“
Sein Gesicht wurde ernst. „Das ist der Moment, in dem ich mich in dich verliebt habe.“ Er lächelte wieder. Diesmal aber so, wie man es tut, wenn man in süßen Erinnerungen schwelgt. Er schaute ihr in die Augen. „Du bist wirklich süß, wenn du lächelst.“
Ein leichter Wind kam auf. Akane weitete in Überwältigung ihre Augen, die sich leicht mit Tränen füllten. Sie und Ranma schauten sich für eine lange Weile stumm in die Augen, unfähig etwas zu sagen, nicht willens etwas zu sagen, aus Angst, den Zauber des Augenblicks zu zerstören. Langsam, ganz langsam, streckte er plötzlich seinen Arm nach ihr aus. Seine Finger zitterten, als er ihr vorsichtig die über die Wange streichelte, während ihr im Wind tanzendes Haar sanft über seinen Handrücken strich. Wärme durchflutete ihren Körper. Wärme und ein unbeschreibliches Wohlbefinden, das sie bisher noch nicht kannte. Sie nahm alles wahr, wie nie zuvor: das wunderschöne Blau des Himmels, der Gesang der sich liebenden Vögel, der freundliche orange-gelbe Sonnenschein, von dem sie in einen seidigen Schleier gelegt wurde, die bunten Schmetterlinge, die wie die Blumen so zahlreich und hübsch die Wiese schmückten und... seine Berührungen. Seine Berührungen! Sie wollte sie intensiver Spüren, ihre Sinne noch weiter schärfen, bis sie nichts mehr spürte als seine zärtliche Hand auf ihrer Haut. Hungrig nach diesen Empfindungen schloss sie ihre Augen. Das Zwitschern verschwand. Sie spürte, dass es dunkler wurde. Aber seine Hand, wo war sie? Die Wärme verließ langsam ihren Körper. Verwirrt und traurig darüber öffnete sie wieder ihre Augen und fand sich plötzlich im liegen wieder.