Fanfic: Berührungen ½ [5] ---RANMA ---

Wäre sie zu diesem Zeitpunkt zuhause gewesen, dann hätte er an ihre Tür geklopft. Und sie hätte ihm daraufhin geöffnet und ihn überrascht mit ihren großen, braunen Augen angeschaut. Oder sie hätte ihn frech angelächelt und gefragt, ob sie ihm wieder bei den Hausaufgaben helfen sollte. Am wahrscheinlichsten aber war, dass sie ihn wütend zurück zu Shampoo geschickt und ihn dann als Perversen beschimpft hätte. Aber sie war nicht da. Und selbst wenn, würde sie nicht mit ihm reden, ihn nicht ansehen, ihm noch nicht einmal öffnen. Er fasste sich an den Bauch, als der Schmerz stechend wurde. „Warum“ – diese Frage wollte partout nicht seinen Kopf verlassen. Traurig sanken seine Lider, als er die Antwort für sich entdeckt hatte. „Ich schätze, ich habe sie wohl ein Mal zu oft verletzt.“ Angestrengt schluckte er in dem Versuch, den Schmerz, den er empfand irgendwo tief in sich zu vergraben. Alles, was er sich in diesem Augenblick wünschte, war noch eine zweite Chance, war noch einmal Akanes helles, freundliches Lächeln zu sehen, das nur an ihn gerichtet war. Diesmal würde er zurücklächeln, er würde...



„Etwas Abstand kann vielleicht nicht schaden“, sprach er in Gedanken zu sich selbst. „Alles, was ich jetzt tun kann, ist ihr etwas Zeit geben. Und ein gutes hartes Training lenkt mich sicher für eine Weile ab.“ Überrascht bemerkte er, dass er noch immer auf die geschlossene Tür starrte. Kopfschüttelnd wandte er sich zu seinem Vater und gab ihm bescheid, dass sie los könnten. Er erreichte bereits die Treppe, als er sich noch einmal umdrehte und sich ein letztes Mal Akane im Türrahmen stehend vorstellte. In diesem Augenblick gestand er sich endlich ein, was er so lange Zeit verleugnet hatte: „Ich mag sie. Ich brauche sie.“





***



Und nun war er also hier, irgendwo in einem dichten Wald in den Bergen. „Was hat sich Oyaji nur dabei gedacht?“ fragte er sich. „Erst ist er ganz wild darauf, mit mir hierher zu kommen und dann verschwindet der Alte plötzlich spurlos, nachdem er mich KO geschlagen hat.“ Vorsichtig tastete er sich über den Kopf und fand eine dicke Beule. „Ob er sich wieder als Panda von irgendeinem armen Kind aushalten lässt?“ Entnervt stöhnte er bei dieser Vorstellung.



Aus der Ferne hörte er das Plätschern eines kleinen Wasserfalls. „’Ninshiki no Izumi’, ja? So ein Blödsinn. Warum hat er mich an diesen bescheuerten Ort gebracht? ’Halte dich immer in der Nähe der Quelle der Erleuchtung auf, um deinen Weg als Martial Artist zu finden’ schreibt dieser Trottel mir auf einen Zettel und dann haut er einfach ab. Toller Vater!“ Wütend sprang er auf und boxte in den Baumstamm. Die idyllische Stille des Waldes wurde für einige Momente unterbrochen. „Was hat das denn mit Martial Arts zu tun, wenn ich in diesem blöden kleinen Gewässer bade?“ Er ließ seine Faust sinken. „Komisch ist es allerdings schon. Ich habe bisher noch nie eine heiße Quelle mit Wasserfall gesehen.“ Nach einer kurzen Pause zuckte er schwerfällig mit den Schultern. „Aber ich bin schließlich hier, um zu trainieren und nicht, um irgendwelche Touristenattraktionen zu bestaunen. Sobald ich Paps gefunden habe, muss ich dringend von hier verschwinden. Das ist die reinste Zeitverschwendung, wo ich doch so viel zu klären habe mit Akane.“ Akane... Seine Gesichtszüge wurden weicher als ein heller Schimmer über seine Augen fuhr. Etwas bitterlich lachte er in sich hinein und massierte sich seine leicht schmerzende Stirn mit Daumen und Mittelfinger. „Egal wo ich auch hingehe, vergessen kann ich sie sowieso nicht.“



Im selben Augenblick nahm er ganz in der Nähe von sich Schritte wahr. Suchend drehte er sich in alle Richtungen um bis er plötzlich ein Mädchen sah, dass mit kleinen, aber schnellen Schritten an ihm vorüber huschte. Er sah sie nur von hinten, aber irgendwie kam ihm diese Gestalt bekannt vor. Halbherzig bemühte er sich einen Moment lang sich zu erinnern.



„Na klar, warum ist mir das nicht früher eingefallen?“ Er tippte sich an den Kopf und

kicherte, als er ihren purpur-roten Kimono, die hölzernen Sandalen und das blaue, dünne Tuch, das sie sich um den Kopf gewickelt hatte beobachtete. „Sie sieht aus wie eine von diesen chinesischen Puppen!“ Bestätigend nickte er zu sich selbst, gab sich jedoch aus einem unerfindlichen Grund nicht ganz zufrieden mit dieser Erklärung. Seine Gedanken über eventuelle Ähnlichkeiten schob er aber schnell beiseite, da ihm plötzlich eine Idee kam. „Sie sieht nicht gerade so aus, als wäre sie wie ich auf Trainingsreise. Das heißt, hier muss es irgendwo in der Nähe ein Dorf geben. Vielleicht kann ich von dort aus ja zuhause anrufen und fragen, ob sich dieser faule Panda wieder hat blicken lassen.“



„Hey, du! Warte doch mal kurz!“ rief er und war gerade dabei, auf das Mädchen zuzulaufen, als plötzlich ein älterer Herr neben ihm auftauchte und ihn freundlich anlächelte.



„Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Fremder?“ sagte er mit einer wohligen, warmen Stimme.



Ranma stutzte und wandte sich ihm zu, ohne das Mädchen weiter zu beachten. So schnell wie sie gelaufen war, hatte sie ihn sowieso nicht mehr gehört, dachte er sich. Vor sich sah er einen alten Mann mit einem langen Bart stehen. So weiß wie sein Haar war auch sein knöchellanges Gewandt.



„Eeehm“, fing er geistreich an. „Ja, tatsächlich könnten sie das. Ich müsste dringend mal jemanden anrufen. Gibt es hier in der Nähe ein Telefon?“



Der Mann schaute ihn unverwandt an. „Sie werden verzeihen, aber sie müssen sich doch erinnern, wie sie hierher gekommen sind. Und da gibt es sicher ein Telefon, junger Herr.“



Ranma rollte mit den Augen. „Ja schauen sie. Dieser dumme Panda hat mich an diesen Ort gelockt und mich dann KO geschlagen, weil ich wieder nachhause wollte. Dann schleppte er mich hierher, als ich noch bewusstlos war und hinterließ mir nur diesen blöden Brief, ehe er sich einfach aus dem Staub gemacht hat!“ Kopfschüttelnd wedelte er mit einem kleinen dünnen Blatt Papier. „Tss... Und so einer nennt sich Vater. Ist doch echt unglaublich, oder? Das grenzt ja an Körperverletzung.“



„Das grenzt an...“, begann der ältere Mann langsam zu wiederholen, als ihn die Sprache für einen Augenblick verließ. Er konnte seinen erstaunten Blick nicht von der riesigen Beule an Ranmas Stirn lassen, die in den blassen Sonnenstrahlen, welche durch die Äste drangen, in einem kräftigen Purpur leuchtete. So etwas hatte der Fremde ganz sicher noch nie gesehen. Und wenn doch, dann sicher nicht an einer Person, die bei vollem Bewusstsein ist und allem Anschein nach nicht einmal größere Schmerzen verspürt. Dann wandelte sich sein Gesichtsausdruck in Besorgnis. „Ganz ruhig, mein junger Freund. Sie meinen also, ihr Vater sei ein Panda und hat sie bewusstlos im Wald ausgesetzt?“



Ranma ließ seine Schultern hängen und stieß einen schweren Seufzer aus. „Oh man, ich hab’ echt Erholung nötig“ sagte er nach der Erkenntnis, dass er viel zu viel verraten hat.



Der alte Mann schlussfolgerte, dass sich der junge Fremde mit dem dunklen Zopf eine schwere Kopfverletzung zugezogen hatte und bloß halluzinierte. So beschloss er, sich seiner anzunehmen. „Ganz ruhig, ganz ruhig. Das wird schon alles wieder. Zunächst einmal werde ich Sie in mein Dorf bringen.“ Mit einem skeptischen Blick neigte er seinen Kopf zur Seite und murmelte verstohlen hinter seinen dichten, weißen Barthaaren: „Da werden Sie dann erst mal einen Beruhigungstee bekommen.“



Ranma schaute zu ihm auf. „Aber was ist nun mit dem Telefon?“



„Ja, Telefone gibt es dort auch.“ Er nickte und machte eine Geste. „Folgen sie mir einfach. Und passen Sie auf, dass sie über keine Wurzel stolpern.“



„Ehm... Klar!“





***



„Komisch.“ Akane drehte sich um, erblickte aber niemanden. Verwundert lief sie ein paar Schritte zurück, schaute sich in allen Richtungen um, doch es war weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Dann machte sie ihren Weg zurück zur Hütte.



Nachdenklich tippte sie sich mit der Spitze ihres Zeigefingers ans Kinn. „Ich hätte schwören können, Ranmas Stimme gehört zu haben.“ Ungläubig schüttelte sie ihren Kopf. „Jetzt folgt er mir in meinen Gedanken sogar schon bis hier her.“



Mit ihren hölzernen Sandalen, die sie von den freundlichen Dorfbewohnern zusammen mit einem Kimono, sowie ein paar anderen Textilien geschenkt bekam, nachdem sie sich als gute Freundin von Ryoga Hibiki vorgestellt hatte, tippelte sie in kleinen, aber schnellen Schritten über den erdigen Waldboden.





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Anmerkung der Autorin:



So, Freunde der Nacht. Dieser Teil sollte eigentlich länger werden, aber dann habe ich mich doch dazu entschlossen, die weiteren Ideen in den nächsten Teil erst mit einzubringen. Das passt einfach besser zum Kapiteltitel. Na? Na? Schon rausgekriegt, was es mit den einzelnen Titeln auf sich hat? lol Derjenige, der’s als erster herauskriegt, bekommt von mir einen großen Eisbecher! ^.~



Oh ja... der nächste Teil wird auch wieder etwas spannender. Versprochen. ~.~



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