hat gesagt, um Fünf Uhr ist er da, um Fünf Uhr! Jetzt ist es Zehn!<< Seine stimme schnappt über und er tat eine herrische Geste.
>>Hast du keine Karten? Genau, wie wär’s jetzt mit einem Spielchen? Nur so zum warm werden, hä? Was hältst du denn davon?<< Und nach einiger Zeit: >>He, ich rede mit dir, Elfenjunge!<<
>>Heute nicht, Kelt.<< gab Rone ruhig, das Kinn auf den Handballen gestützt, zur Antwort.
>>Heute nicht... Wann denn dann?<< fragte der Zwerg immer noch mürrisch und aufgebracht. >>Wenn der Druide kommt, dann geht’s doch eh nicht mehr! Jetzt komm schon, ein Spielchen. Bitte.<<
Ein großer Schatten schob sich fast unmerklich aus einer düsteren Ecke des behaglichen Raumes und eine durchdringende, aber dennoch besänftige Stimme murmelte:
>>Lass ihn in Frieden, Zwerg!<< Dario war zu ihnen getreten, tief vermummt in seinen schwarzen Mantel, geheimnisvoll und so unwirklich wie immer.
>>Ach, Hochländer,<< maulte der Zwerg gereizt. >>was weißt du denn schon davon?<<
>>Ich weiß, dass es ein schlechtes Wetter für einen Zwerg ist,<< antwortete der schlanke dunkelhaarige spitz. >>aber deshalb brauchst du ja nicht gleich in Tränen ausbrechen.<<
Kelt verschränkte die Arme über der in Tierfelle gewandete Brust und murrte störrisch:
>>Mir ist kalt! Das ist alles!<<
Dario ging durch den Raum auf Rone zu, beugte sich über ihn und sah ebenfalls durchs Fenster in die nächtlichen Straßen hinaus. >>Ist er da? Kommt er?<< fragte er den Hals reckend.
>>Nein!<< brummte Rone und blies sich eine weißblonde lange Haarsträhne aus dem Gesicht. >>Und ich glaube auch nicht, dass er kommen wird, wenn wir hier nur herumsitzen und nichts tun!<<
>>Genau das hat er doch gesagt!<< gab sich der Zwerg zu hören. >>Rührt euch hier nicht vom Fleck, bis ich etwa gegen Fünf wieder bin.<< Er stieß die Luft zwischen seinen Nasenlöchern fest heraus und zog die Beine enger an, während sein eiserner Stab wieder in den glühenden Kohlen herumstocherte. >>Das ist das undurchschaubare an diesen Kerlen,<< meinte er. >>man weiß nie, was sie mit etwa meinen! Mal heißt es bald, mal später, dann bis Mitternacht und zum Schluss bis zum nächsten Morgen! Und? Spielt jetzt einer mit mir Karten? Mir ist langweilig.<<
Kopfschüttelnd sah Dario ihn an. >>Nein, nein, er wird kommen. Wenn Thronn sagt, dass er kommt, dann kommt er auch. Er gehört zu dem Pack, das unsterblich ist, also können wir davon ausgehen, dass er nicht von den Mordgeistern um die Ecke gebracht wurde!<<
Wieder meckerte Kelt: >>Aber er gehört zu denen, die ihre Freunde einfach im Stich lassen!<<
Ein scharfer Blick von dem Hochländer reichte aus, um den Zwerg wieder in seine Schranken zu weisen. >>Das würde er niemals. Auch wenn es manchmal so scheint. Er hat bestimmt seine Gründe, warum er uns warten lässt! Was sagst du dazu, Rone?<<
>>Ich sage erst einmal gar nichts,<< antwortete der Elfenjunge. >>aber löscht lieber das Licht und tretet die Kohlen aus. Da kommt etwas.<< Schnell und fast geräuschlos goss Dario das bereitstehende Wasser aus einem Eimer in die Flammen, die mit einem bedrohlichen Zischen erloschen. Kelt blies das Licht der Öllampe aus und keiner rührte sich mehr, wie gebannt sahen sie auf die schattigen, mit kleinen Schneehaufen versehenen Straßen.
Dort drückte sich ein gewaltiger Schatten an Hauseingängen und anderem vorbei, ständig auf seine Bewegungen achtend und plötzlich war es so, als hätte sie für einen Moment in Rone’ s Augen geblickt. Der grosgewachsene Mann war ganz in schwarze, lange Gewänder gehüllt, darüber ein schwerer Mantel und einen verzierten Ledergürtel um den Bauch. Es war Warrket, der Druide, der Magier, der Zauberer, der Hexer! Die Gestalt kam auf sie zu und die drei Gefährten atmeten erleichtert auf, denn sie hatten schon gedacht, dass sie es mit einem Schattenwesen oder einem Dämon zu tun gehabt hätten.
Wenig später knarrte die Holztür und wurde wieder vorsichtig zugeschoben. Thronn kam zu ihnen in den Raum, das strohblonde Haar zerzaust und völlig durchnässt.
>>Thronn!<< verlieh der Elf seiner Freude Ausdruck und kam mit ausgebreiteten Armen auf seinen Halbonkel zu.
>>Ich wusste es!<< rief der Zwerg grinsend. >>Ein Magier wie unser Thronn würde nie in die Hände von Mordgeistern fallen!<<
Dario lächelte erst dem Zwerg schelmisch und dann dem Zauberer glücklich zu. >>Ich hatte nie aufgehört an dir zu zweifeln.<<
Warrket strich seinem Neffen durch die Haare. >>Es war nicht leicht hierher zu gelangen. Vor allem demnach nicht, da hier das völlige Chaos ausgebrochen ist. Ascan ist nirgends aufzufinden und dieser verdammte Patrinell und sein Kumpan Milchemia streichen hier immer noch durch die Gegend. Mich wundert es, dass die Tieflanddämonen sie nicht erwischt haben. Der König bleibt weiter verschollen und mein Seraphim hat sich in Luft aufgelöst... jedenfalls glaube ich das...<<
>>Deshalb hast du uns ja von deinem Vater aus Krakenstein holen lassen.<< erläuterte der Zwerg eifrig. >>Den Drachenreiter hast du mit einer Nachricht losgeschickt. Leider hat unser Truppführer Kajetan alle Hände voll in der dortigen Burg zu tun und so konnte er nur uns entbehren. Vor allem weil König Valbrecht so knauserig war und vergaß uns unseren Sold zu zahlen. Hat uns einfach weggeschickt, der Kerl!<< Ein unangenehmer Ausdruck kehrte auf das Gesicht Kelt’ s ein und Dario schreckte zurück, hob abwehrend die Arme, wobei er lächelte.
>>Ho, ho, Herr Zwerg, sachte, die Schattenwesen kriegen gleich das große Flattern.<<
>>Aber das mit diesem Goran Ascan ist echt ein Problem!<< schaltete sich Rone ein, den Köcher mit Pfeilen auf den Rücken gespannt. Der kleine Warrket war ernst, der wohl ernsteste unter den vieren. >>Wenn wir ihn nicht finden, bevor die Schattenwesen es getan haben, dann sitzen wir in der Falle! Alles wäre umsonst!<<
Sein Onkel gebot ihm Einhalt und bemerkte mit erhobenem Zeigefinger: >>Aber Riagoth würde auch in der Falle stecken, da die Mordgeister auch ihre Feinde sind. Bedenkt, hier treten nicht nur zwei Mächte gegeneinander an! Am besten ihr helft mir bei der Suche. Der Drachenreiter überkreist schon seit Stunden das Gebiet über uns und wir sitzen hier faul rum. Ich schlage vor, dass wir uns der trisholer Burg zuwenden, dort sind immer noch die Tore verriegelt und es wäre möglich, wenn dort noch jemand am Leben wäre.<< Tatsächlich wusste er genau, dass Melwiora ihre eigenen Geistergestalten hatte, drei, um genau zu sein, doch dieses Wissen wollte und konnte er einfach nicht an seine Gefährten weitergeben, nicht einmal an den kleinen Rone, der ihm jedoch sehr am Herzen lag. Er könnte es niemals erlauben, dass ihm jemand auch nur ein Leid zufügen würde.
Alle nickten über seinen Entschluss und so war es beschlossene Sache. Mit Sack und Pack machten sie sich in die feuchte Nacht auf, mit leisen Schritten und gespitzten Ohren, sodass ihnen kein Geräusch entgehen konnte.
***
Der Drachenreiter kreiste hoch über den Wolken, die sich wie dichterwerdende Nebelschleier über das Hochland auszubreiten schienen. Sein Name war Orkin Twron, der letzte Reiter dieser uralten Geschöpfe überhaupt. Das Reittier, ein Flugdrache, war etwa zwanzig Meter lang, besaß einen schlanken, rotgeschuppten Körper und die Augen waren seinem Reiter gut vertraut. Beide liebten sie den Klang der ledernen Schwingen, wenn diese schwimmende, ruckartige Bewegungen in der Luft taten. Die eisigen Frühjahrswinde zischten ihnen um die Ohren und aus den Nasenlöchern des Drachen stiegen kleine Rauchfahnen auf, die sich aber schnell im Fahrtwind verloren. Der Drache trug den Namen Kronax, der Name eines ehemaligen Kriegers, den Orkin schon in seiner Kindheit geehrt hatte. Auch die Drachen waren seine heimliche Leidenschaft und so hatte er sich überlegt, warum nicht einfach beides mischen, Krieger und Drache, warum nicht?
Twron war der typische Inselbewohner, schlank, drahtig, muskulös und langes, glattes rostrotes Haar. In seinen Augen funkelte es grün und auf seinen Lippen lag ein schelmisches Grinsen, das Grinsen eines lustigen Kerls. Aufgewachsen war er in Avaluhn, einer Hafenstadt auf Beargrwein, einer großen Insel, die das große Meer des Seraphim und das Rokronmeer auseinander hielt.
Endlich schien es ihm, als hätte er sein Ziel erreicht, die gewaltigen Felsenausläufe hinter Burg Krakenstein tauchten vor ihm aus dem milchigen Wolkenschleier auf, rissen Löcher in den hellen Teppich. Er ließ den Drachen leicht absinken, wobei er erst durch einen dichten Schleier musste, in dem er nichts sehen konnte, doch dann erblickte er die Zinnen und Wehrgänge der Burg. Ein Meer aus Armeen erstreckte sich unter ihm, die allesamt die Burg ringsherum belagerten und aufpassten, dass sich kein Bewohner der Feste aus der Burg schlich.
Hier ist es noch nicht so schlimm wie in Trishol, dachte Orkin und biss die Zähne Ungutes ahnend zusammen. Bereits auf der Brüstung winkten ihm einige Soldaten entgegen, Soldaten, die er nicht kannte. Er zauderte einen Moment und ließ seinen Drachen kleine Kreise über der Stadt drehen, wobei er die seltsamen Figuren genauestens beobachtete. Es fiel ihm auf, dass diese Ritter gerade das Falltor hochgezogen hatten und auch der Gegner blieb vorerst ruhig und nahm keine rechte Anteilnahme an dem Geschehen in der Burg.